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5. April 2016 – Wie berechne ich den Schadensersatz bei der Verletzung eines Bildrechtes? Oder: Was kostet der Bilderklau?

Wer ein Foto macht, ist Urheber und daher auch Inhaber des Nutzungsrechts. Verletzt nun ein anderer dieses Nutzungsrecht des Fotografen, ist er ihm zum Schadensersatz verpflichtet (§ 97 Abs. 2 Satz 1 Urhebergesetz). Doch wie berechnet man den Schaden, welcher dem Fotografen durch die Verletzung des Bildrechts entstanden ist?

Das Wahlrecht bei der Berechnung des Schadensersatzes im Urheberrecht

Zur Berechnung des Schadens gewährt § 97 Abs. 2 UrhG dem Fotografen ein Wahlrecht zwischen drei Alternativen:

1. Der Fotograf kann den tatsächlich eingetretenen Schaden nach den allgemeinen Grundsätzen in Form der Naturalrestitution nach § 249 BGB geltend machen. Das heißt, dass der Fotograf so gestellt wird, wie er stehen würde, wenn das Foto nicht ohne Erlaubnis genutzt worden wäre.

2. Zweitens kann der Fotograf den Gewinn herausverlangen, welchen derjenige erzielt hat, der das Bildrecht verletzt hat (§ 97 Abs. 2 Satz 2 UrhG).

3. Drittens kann der Betrag geltend gemacht werden, den der Verwender als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er bei dem Fotografen die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte (§ 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG). Das heißt unter Juristen „Lizenzanalogie“.

Der Fotograf bekommt somit eine fiktive Vergütung für die Nutzung des Fotos.

Das Wahlrecht hat für den Fotografen erhebliche Vorteile, da er diejenige Alternative auswählen kann, welche ihm den höchsten Schadensersatzanspruch beschert. Solange noch keine rechtskräftige Entscheidung über den Anspruch vorliegt und der Anspruch von Seiten des Verwenders noch nicht erfüllt wurde, darf der Fotograf sogar noch innerhalb des Prozesses zwischen den Berechnungsarten wechseln. Im Normalfall wählt der Fotograf die Lizenzanalogie, weil diese am einfachsten auch im Gerichtsverfahren durchzusetzen ist.

Wie wird die fiktive Lizenzgebühr bei der Lizenzanalogie berechnet?

Der Fotograf kann von dem Verwender Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr verlangen (§ 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG). Doch wie berechnet man diese fingierte Lizenzgebühr im konkreten Fall?

Da die Lizenzgebühr fingiert wird, kommt es gerade nicht darauf an, ob der Fotonutzer bereit oder in der Lage gewesen wäre, Geld für die Nutzung zu zahlen. Denn entscheidend ist allein, welchen Wert die Nutzung des Fotos objektiv hatte. Daher wird unterstellt, was vernünftige Vertragspartner bei Abschluss eines Lizenzvertrages als Vergütung beschlossen hätten. Im Prozess wird diese Wertermittlung durch das Gericht nach dessen freier Überzeugung und unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls gemäß § 287 ZPO vorgenommen.

Um einen generellen Maßstab für die Vergütungsberechnung herzustellen, gibt es zwei unterschiedliche Methoden:

1. Es wird auf eine bestehende Vertragspraxis in der Branche zurückgegriffen, so etwa auf von dem Fotografen bereits konkret abgeschlossene Lizenzverträge.

2. Verkauft der Fotograf seine Fotos nicht für Geld, z.B. weil die Fotos eigentlich nur für den eigenen Onlineshop gemacht wurden, ist immer die Frage, ob die Honorarempfehlungen der Mittelstandsgemeinschaft Fotomarketing (MFM) herangezogen werden, welche auf der Grundlage von Befragungen von professionellen Marktteilnehmern marktübliche Vergütungen für die Nutzungsrechte von Bildern ermitteln.

Da es zu der Anwendung der MFM-Tarife zahlreiche Ausnahmen und Besonderheiten gibt, sollen im Folgenden wichtige Grundregeln anhand von Urteilen dargestellt werden:

Keine Anwendung der MFM-Tarife bei privater Fotonutzung (OLG Braunschweig, Urteil vom 08.02.2012, Az. 2 U 7/11)

Erfolgt die Nutzung des Fotos ganz oder fast ausschließlich zu privaten Zwecken, finden die MFM-Tarife keine Anwendung. Dies entspricht der herrschenden Meinung und wurde etwa von dem OLG Braunschweig in einem Fall entschieden, in dem ein privater e-bay Verkäufer vier Fotos eines Computer-Monitors für seine e-bay-Auktion verwendet hatte. Die Begründung bezieht sich darauf, dass die MFM-Tarife nicht die Honorare für eine einmalige private Fotonutzung bei einem eBay-Verkauf abbilden, sondern sich ausschließlich auf den professionellen Markt beziehen. Für den privaten Gebrauch existiert dagegen gar kein Markt, der somit auch nicht in den MFM-Tarifen widergespiegelt sein kann.

Die Honorarempfehlungen können nur dann gelten, wenn es sich um die Nutzung eines professionellen Bildes handelt und dessen Nutzung zumindest auch unternehmerischen Zwecken diente. Das heißt im Umkehrschluss, dass bei einer rein privaten Nutzung die Honorarempfehlungen keine Anwendung finden. In diesen Fällen muss die Höhe einer angemessenen Lizenzgebühr einzeln ermittelt werden.

Auch im kommerziellen Bereich eher keine totale Anwendung der MFM-Tabelle

1.Keine Anwendung der MFM-Tarife bei Pixelio-Abmahnungen  (KG Berlin, Beschluss vom 07.12.2015 – Az. 24 U 111/15)

In Beschluss des Kammergerichts Berlin hat dieses entschieden, dass der Schadensersatz aufgrund der fehlenden Benennung des Urhebers von pixelio-Fotos nicht automatisch anhand der MFM-Tarife zu ermitteln ist. Vielmehr muss eine Schätzung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorgenommen werden, bei der jedoch eine Besonderheit von „pixelio“ zu beachten ist: Die von dem Fotografen eröffnete Möglichkeit der unentgeltlichen Lizensierung des betroffenen Fotos über „pixelio“ unter bloßer Urheberbenennungspflicht weist stark darauf hin, dass der Fotograf im Verletzungszeitraum das streitgegenständliche Foto gerade nicht zu den MFM-Säten lizensieren konnte und somit auch nicht lizensiert hat. Vielmehr hat er auf das dortige Geschäftsmodell mit unentgeltlicher Lizensierung unter Urheberbenennung ausweichen müssen, etwa um sich zunächst einen gewissen Ruf zu erwerben. Eine Lizensierung zu den MFM-Sätzen muss daher vom Fotografen gesondert dargelegt und bewiesen werden, was dem Fotografen im Fall des Kammergerichts nicht gelang.

2. Abschlag auf MFM-Empfehlungen bei nicht-professionellen Fotos (OLG Hamm · Urteil vom 13. Februar 2014 – Az. 22 U 98/13)

Eine Anpassung der MFM-Empfehlungen für den Fall nicht-professioneller Fotos nahm unter anderem das OLG Hamm vor. Demnach müssen die Empfehlungen zwar als Ausgangspunkt der Schätzung dienen. In einem zweiten Schritt sind sie allerdings durch einen prozentualen Abschlag zu senken, wenn es sich um qualitativ geringwertigere Fotos handelt. Eine schematische Vorgehensweise darf nicht erfolgen. In dem Fall des OLG Hamm ging es um äußerst simple Produktfotografien, welche von Seiten eines Sachverständigen als „semiprofessionelle Arbeiten mit erheblichen Qualitätsmankos“ beschrieben wurden. Dabei nahm das Gericht einen Abschlag von 60 % vor. Begründet wurde diese Vorgehensweise damit, dass die Honorarempfehlungen allein die Vereinbarungen professioneller Fotografen wiederspiegeln und daher auch die Gegenleistung für eine hohe Qualität und den damit verbundenen finanziellen Aufwand – etwa den Kauf einer hochwertigen Kamera – darstellen. Diese Leistung wird bei privaten Bildern ohne besondere Qualität aber regelmäßig nicht erbracht und muss daher auch nicht vergütet werden.

3. Nur geringer Abschlag bei hoher Fotoqualität privater Fotografen (LG Köln, Urteil vom 27. Mai 2014 – Az. 14 S 38/13)

Auf der anderen Seite hat das LG Köln entschieden, dass die MFM- Empfehlungen auch für nicht-professionelle Fotografen entsprechend anwendbar sein können, wenn diese nicht nur Schnappschüsse, sondern qualitativ hochwertige Fotos anfertigen. In dem Fall hatte der Fotograf einen erheblichen Aufwand bei der Erstellung der Fotos betrieben und etwa ein eigenes Fotolabor verwendet. Da es sich dennoch nicht um einen professionellen Fotografen gehandelt hat, hat das Landgericht Köln zwar einen Abschlag auf die Honorarempfehlungen vorgenommen. Diesen aber mit 20 % recht niedrig gehalten.

Aber auch wenn wegen der guten Qualität von Fotos eines professionellen Fotografen eigentlich die MFM-Tabelle in Betracht kommt, kommt es immer auf den konkreten Einzelfall an:

OLG Hamm in einem Urteil im November 2015 einem Fotografen nur 10 € je Foto – und das sogar inklusive des Schadenersatzes für die fehlende Urhebernennung.

„Verletzerzuschlag“ bei unterlassenem Urherbernachweis (LG Düsseldorf, Urteil vom 26.08.2015, Az. 12 O 370/14)

Verwendet jemand ein fremdes Foto- auch legal mit Lizenz – ist er dazu verpflichtet, bei der Nutzung den Urheber zu benennen (§ 13 UrhG). Wird bei der Nutzung eines Bildes dieser Nachweis der Bildquelle unterlassen, muss der Nutzer unabhängig von dem Bestehen einer Nutzungslizenz nach Ansicht vieler Gerichteeinen so genannten „Verletzerzuschlag“  zahlen. Als Zuschlag werden zwischen 30 und 100 % der Lizenzgebühr angesetzt.

Besteht also weder eine Nutzungslizenz noch ein Bildquellennachweis, können sich die Kosten verdoppeln. Dies ist ständige Rechtsprechung und wurde kürzlich etwa vom Landgericht Düsseldorf – Urteil vom 26.08.2015, Az. 12 O 370/14, in einem Fall entschieden, in welchen professionelle Fotos eines Stadionmodells ohne Lizenz genutzt wurden. Eine Einschränkung besteht aber laut Landgericht Düsseldorf dahingehend, dass es sich um einen Fall der gewerblichen Nutzung eines Fotos eines Berufsfotografen handeln muss.

Fehlende Angabe eines Fotografen bei Pixelio-Fotos führt nicht zum Fehlen der Fotolizenz (KG Berlin, Beschluss vom 07.12.2015 – Az. 24 U 111/15)

Verwendet jemand ein Foto aus einem Bildarchiv – wie beispielsweise pixelio oder fotolia – erhält er eine Lizenz zur Nutzung des Fotos. Gleichwohl ist der Verwender weiterhin dazu verpflichtet, den Fotografen bei der Verwendung anzugeben. Tut er dies nicht, macht sich der Verwender somit trotz der Nutzungslizenz schadensersatzpflichtig. Das Kammergericht Berlin hat kürzlich entschieden, dass dieser Pflichtverstoß aber nicht automatisch dazu führt, dass auch die zuvor legal erworbene Lizenz wegfällt. Denn die verwendete Lizenzvereinbarung zwischen dem Fotografen als Urheber und dem Nutzer des Fotos ist nicht so zu verstehen, dass die Einräumung des Nutzungsrechts an die Bedingung der späteren Benennung des Urhebers und der Quellenangabe gebunden ist. Ein späterer Verstoß gegen die Benennungspflicht hat also keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Lizenzvereinbarung. Ansonsten würde allein das Unterlassen der Urhebernennung immer zu einem doppelten Schadensersatzpflicht führen. Mehr dazu lesen Sie hier.

Keine Lizenzgebühren bei Fotos, welche unter die Creative-Commons-Lizenz fallen (OLG Köln, Urteil vom 31.10.2014, Az. 6 U 60/14)

Wird ein Foto verwendet, welches unter die Creative-Commons-Lizenz fällt, kann die MFM-Tabelle ebenfalls nicht angewendet werden, wenn die Fotonutzung nicht zu kommerziellen Zwecken erfolgt.

Das gilt dann auch hinsichtlich der fehlenden Namensnennung des Fotografen: Zu einer Lizenzgebühr kommt es selbst dann nicht, wenn 100 % der Lizenzgebühr als Verletzeraufschlag auf den ermittelten Schaden angerechnet werden. Das hat das OLG Köln in einem Urteil mit dem Argument entschieden, dass ein Foto bei Bestehen einer Creative-Commons-Lizenz einen objektiven Wert von „Null“ hat. Wird der Aufschlag aber mit 100 % des Lizenzwertes berechnet, kommt man immer noch auf 0. Selbst ein „Verletzerzuschlag“ führt somit nicht zu einer Lizenzgebühr.

Für Ihre Fragen zum Urheberecht und Fotorecht

Rechtsanwalt Alexander Grundmann

Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

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