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2. Dezember 2019 – Fotorecht: Urteil des Landgerichtes Darmstadt zu Bildnissen ohne Einwilligung in Zeiten der DSGVO

Polizistin mahnt Musikband wegen Video bei YouTube ab

Das Landgericht Darmstadt musste sich mit dem Recht am eigenen Bild einer Polizistin im Einsatz beschäftigen.

Die Polizeibeamtin ist Zugführerin bei der Bereitschaftspolizei. Die Bereitschaftspolizei hatte im April 2018 einen Einsatz bei einem Konzert einer dem Rechtsrock zugeordneten Musikgruppe. Die Bereitschaftpolizisten waren zum Schutz vor Demonstrationen gegen das Konzert eingesetzt.

Die Polizeibeamtin wurde vor dem Veranstaltungsort von jemandem, der später ein Musikvideo für die Band machte, gefilmt.

Eine kurze Filmsequenz, auf dem die Polizistin zu sehen war, wurde in ein Musikvideo der Band geschnitten. Das Video wurde auf „YouTube“ veröffentlicht und 150.000 mal angeklickt.

Die Polizistin, die ungefragt im Video auftauchte, empfand die Veröffentlichung ihres Bildes im Zusammenhang mit der Band als schwerwiegende Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts. Die Polizistin störte vor allem, dass sie damit in die Nähe einer Rechtsrock-Bank gerückt würde. Ihr geht es um politische Neutralität in Ausübung ihrer Dienstpflichten. Sie wollte deswegen auf keinen Fall den Eindruck erwecken, sich mit den nationalistisch-völkischen Texten der Band zu identifizieren.

Die Polizistin mahnte daraufhin sowohl die Band als auch die „Inhaberin der Auswertungsrechte an musikalischen Aufnahmen“ ab.

Beide gaben eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ab. Im Musikvideo ist seitdem nur eine „verpixelte“ Polizistin zu sehen. Damit war der in der Abmahnung geltend gemachte Unterlassungsanspruch erledigt, nicht aber die von der Polizistin geforderte Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten und Zahlung einer Geldentschädigung.

Wegen dieser Zahlungsansprüche klagte die Polizistin vor dem Landgericht Darmstadt.

Landgericht Darmstadt: Verletzung des Rechts am eigenen Bild und Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts

Jeder Mensch hat ein Recht am eigenen Bild. Das bedeutet, dass jeder selbst entscheiden kann, ob, wie, wann und wo ein Foto ein Video von ihm gezeigt wird. Darauf können sich auch Polizisten im Einsatz berufen können.

Ansprüche aus dem Kunsturheberrechtsgesetz (KUG)

Da der eigentliche Unterlassungsanspruch durch die Unterlassungserklärung schon erledigt war, musste das Gericht dazu nur im Rahmen des Anspruchs auf Erstattung der Abmahnungskosten was dazu sagen.

Das Gericht sprach – wegen der Verletzung des Rechts am eigenen Bild – der Polizistin einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.171,67 € für die Anwaltskosten zu. Das ist die Anwaltsvergütung aus einem Gegenstandswert von 20.000,– €.

Interessant an dem Urteil ist, dass das Gericht die Ansprüche der Polizistin nur aus dem Kunsturheberrechtsgesetz (KUG) ableitet. Die neue DSGVO wird gar nicht diskutiert.
Dabei ist derzeit sehr umstritten, welches Recht für Fälle wie diesen gilt.

Das Landgericht prüfte dann das Kunsturheberrechtsgesetz durch.

Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verwendet werden (§ 22 KUG). Es gibt aber Ausnahmen in § 23 Abs. 1 KUG, die eine Bildnisverwendung auch ohne eine Einwilligung erlauben. Das Gericht sah hier aber keine solche Ausnahme.

Die Ausnahme § 23 Abs. 1 Ziffer 1 KUG – zeitgeschichtliches Ereignis – greift nicht.

Ein Polizist wird nicht schon auf Grund seines Einsatzes Teil eines zeitgeschichtlichen Ereignisses, sondern erst dann, wenn er an besonderen Ereignissen oder Handlungen teilnimmt, er sich z. B. pflichtwidrig verhält. Solche Bildberichterstattung ist Teil der Kontrolle öffentlich-rechtlicher Machtausübung.

„Beiwerk“ gemäß § 23 Abs. 1 Ziffer 2 KUG war die Polizistin nicht, da sie ja in der Videosequenz zentral hervorgehoben war – dazu brauchte das Landgericht Darmstadt gar nichts zu sagen, das hatte auch die Band bzw. die Videomacher nicht als Rechtfertigung vorgebracht.

§ 23 Abs. 1 Ziffer 3 KUG Berichterstattung über das Ereignis war auch nicht einschlägig weil die Darstellung des Gesamtgeschehens als Ereignis im Vordergrund stehen muss. Hier wurde aber die Polizistin als einzelne Person auf der Veranstaltung hervorgehoben.
In der Videosequenz, in der die Polizistin zu sehen ist, nimmt sie einen erheblichen Teil des Bildausschnitts ein und wird – das verstärkt den Fokus auf sie – in Zeitlupe dargestellt.

Auch § 23 Abs. 1 Ziffer 4 KUG – Kunstwerk – greift im Ergebnis nicht ein.

Das Musikvideo ist zwar ein Kunstwerk. Die Ausnahme des § 23 Abs. 1 Ziffer 4 KUG gilt nur, wenn die Verbreitung des Bildnisses einem höheren Interesse der Kunst dient. Hier kommt es immer auf eine Einzelfallabwägung an.

Kunstfreiheit in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG wird zwar vorbehaltlos, aber nicht schrankenlos gewährleistet. Die Schranken sind die Grundrechte anderer Menschen, aber auch aus sonstigen Rechtsgütern mit Verfassungsrang. In dieser Abwägung der konkreten Konstellation bewertet das Landgericht Darmstadt das Persönlichkeitsrecht der Polizistin höher, als die Kunstfreiheit der Musikband und des Videoproduzenten.

Landgericht Darmstadt gibt Polizistin Geldentschädigung von 5.000 EURO für unfreiwilligen Auftritt im Musikvideo

Die Polizistin hatte von der Band und den Rechteinhabern am Video außerdem eine Geldentschädigung in Höhe von 5.000,– € gefordert.

Eine solche Geldenschädigung wegen Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts geben Gerichte nur in seltenen Ausnahmefällen. Voraussetzung der Geldentschädigung, ist ein schwerwiegender Eingriff und damit eine Beeinträchtigung der Persönlichkeitsrechte, die nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Auch der Gedanke der Prävention solcher Fälle spielt eine Rolle.

Hier war relevant, dass das Bildnis vorsätzlich in das Musikvideo geschnitten und bei YouTube verbreitet wurde. Relevant waren auch 150.000 Aufrufe des Vidos. Die Verbreitung eines einmal ins Internet gestellten „unverpixelten“ Bildnisses kann man nicht mehr kontrollieren. Dass die Band von der Verbreitung des Musikvideos durch größere Bekannheit wirtschaftlich profitiert, war ein weiteres Kriterium, der Polizistin eine Geldentschädigung zuzusprechen.

LG Darmstadt Urteil vom 04.09.2019 – Az. 23 O 159/18
Es ist nicht bekannt, ob das Urteil zwischenzeitlich rechtskräftig geworden ist.

Wir beraten zum Fotorecht:

Rechtsanwalt Alexander Grundmann

Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

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