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20. 10. 2014 Persönlichkeitsrecht: Harte Kritik an Richter zulässige Meinungsäußerung

Bundesverfassungsgericht hebt Urteil wegen Beleidigung einer Richterin auf

Beleidigung in Dienstaufsichtbeschwerde?

Der Streit begann mit einer Klage auf Schadensersatz eines Mandanten gegen seinen früheren Anwalt vor einem Amtsgericht. Weil der Mandant vor Gericht verlor, hat er sich über die Richterin am Amtsgericht so geärgert, dass er eine Dienstaufsichtsbeschwerde bei der Präsidentin des Amtsgerichts gegen die Richterin erhob und diese auch an den Justizminister und die Gegenseite übersandte.

In der Dienstaufsichtsbeschwerde beschwerte sich der unzufriedene Mann über das „skandalöse Fehlurteil“ und „protestierte“ „gegen das schäbige, rechtswidrige und eines Richters unwürdige Verhalten der Richterin“. Sie – die Richterin – „müsse effizient bestraft werden, um zu verhindern, dass diese Richterin nicht auf eine schiefe Bahn gerät“. Ob die Dienstaufsichtsbeschwerde erfolgreich war, ist nicht bekannt.

Allerdings hatten die Aussagen strafrechtliche Folgen für den Mann. Vor dem Amtsgericht wurde er wegen Beleidigung (§ 185 StGB) der Richterin zu 80 Tagessätzen von je 20 Euro verurteilt. Das erstinstanzliche Strafurteil wurde zwar in der Berufung aufgehoben und der Mann freigesprochen. Allerdings wurde der Freispruch vom Oberlandesgericht Düsseldorf wieder aufgehoben, so dass es am Ende bei der strafrechtlichen Beurteilung als Beleidigung blieb. Die Behauptung, die Richterin werde „auf die schiefe Bahn geraten“, wurde von den Gerichten so verstanden, dass der Mann der Richterin zukünftig die Begehung von Straftaten unterstellt.

Dagegen legte der Mann Verfassungsbeschwerde ein, weil er in seinem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung verletzt sei.

Bundesverfassungsgericht: Freie Meinungsäußerung hier vor Ehrschutz

Da es sich bei den Äußerungen nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um eine Meinungsäußerung handelte, sind solche Äußerungen normalerweise nicht strafbar und auch nicht zivilrechtlich verboten.

Allerdings ist auch eine Meinungsäußerung strafbar, wenn es nur um eine Schmähung geht. Diese sogenannte „Schmähkritik“, bei der es nicht mehr um die Auseinandersetzung in der Sache geht, sondern vorrangig nur um die Diffamierung eines Menschen, ist verboten.

Das Bundesverfassungsgericht sah in den konkreten Äußerungen des Mannes keine „Schmähkritik“, sondern diese waren vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt.

Eine Schmähkritik muss, so das Verfassungsgericht „…jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der persönlichen Herabsetzung bestehen. Wesentliches Merkmal der Schmähung ist mithin eine das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung. Nur dann kann im Sinne einer Regelvermutung ausnahmsweise auf eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls verzichtet werden.“

Die polemischen Äußerungen hatten – so das Bundesverfassungsgericht – ein sachliches Anliegen, nämlich die Begründung der Dienstaufsichtsbeschwerde, die Kränkung der Richterin waren nur eine Nebenfolge.

Das Bundesverfassungsgericht kritisiert auch, dass die Argumente zugunsten der Meinungsfreiheit des Mannes nicht berücksichtigt worden seien. Die Argumente für die Meinungsfreiheit des Mannes waren: Die Dienstaufsichtsbeschwerde war nur an einen beschränkten Personenkreis gerichtet und die darin enthaltenen Äußerungen waren im „Kampf ums Recht“ gefallen. Im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts geht es auch um die Auslegung mehrdeutiger Äußerungen im Strafverfahren: Die Behauptung, die Richterin werde auf die schiefe Bahn geraten, wurde von den Gerichten so verstanden, dass der Mann der Richterin zukünftig die Begehung von Straftaten unterstellt. Wenn ein Strafgericht bei mehrdeutigen Äußerungen die zur Verurteilung führende Bedeutung der Äußerung zugrunde legt, ohne vorher die anderen möglichen Deutungen mit schlüssigen Gründen ausgeschlossen zu haben, ist das ein Verstoß gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit.

Fazit: Die Entscheidung zeigt einmal mehr, wie schwer voraussehbar Streitigkeiten um Ehrverletzungen sein können. Im Bereich des Strafrechtes verschafft auch der strafrechtliche Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten" einen weiten Spielraum, auch sehr polemische Äußerungen nicht als Beleidigungen zu werten.

Bundesverfassungsgericht 1 BvR 482/13, Beschluss vom 28. Juli 2014

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