Konkurrent wirbt mit Foto von Kussmund
Das Kreuzfahrtunternehmen AIDA Cruises verziert seine Schiffe mit dem sog. „AIDA-Kussmund“, der am Bug angemalt ist. Darüber sind aufgemalte Augen und seitliche Wellenlinien, die sich am Schiff entlang schlängeln. Der Künstler des AIDA-Kussmundes hat dem Unternehmen die ausschließlichen Nutzungsrechte für sein urheberrechtlich geschütztes Werk eingeräumt.
Ein konkurrierender Reiseveranstalter bot auf seinem Internetauftritt Ausflüge speziell für Kreuzfahrtreisende an und warb dafür mit einem Foto, auf dem ein Teil des AIDA-Kussmundes zu sehen war.
Kreuzfahrtunternehmen sieht Verletzung des Urheberrechte
Der Kreuzfahrtveranstalter sah darin einen Verstoß seiner Verwertungsrechte am Werk, nämlich die unerlaubte Vervielfältigung gemäß § 16 UrhG und öffentliche Zugänglichmachung gemäß § 19 a UrhG. Das Unternehmen meinte, dass die Wiedergabe des Motivs nicht durch die Ausnahmeregelung der sog. Panoramafreiheit aus § 59 Abs. 1 S. 1 UrhG geschützt sei.
Panoramafreiheit erlaubt Fotos, die an öffentlichen Orten gemacht werden und auf denen urheberrechtlich geschützte Sachen zusehen sind. Der Urheber oder Lizenznehmer muss dann für die Veröffentlichung des Fotos nicht gefragt werden.
AIDA Cruises argumentierte, dass hier die Panoramafreiheit gar nicht greift. Das Schiff, an dem der Kussmund angebracht ist, befinde sich nicht „bleibend an öffentlichen Wegen, Straße und Plätzen“, sondern fahre eben von Hafen zu Hafen. Deshalb sei die Verwendung des Fotos eine Urheberrechtsverletzung. Daher wollte der Kreuzfahrtanbieter von dem Reiseveranstalter Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunft sowie Schadensersatz.
Sowohl das Landgericht Köln als auch das Oberlandesgericht Köln sahen das anders. Sie sagten hier Ja zur Panoramafreiheit. Deshalb ging AIDA Cruises zum Bundesgerichtshof.
BGH: Panoramafreiheit gilt auch für Kunst an Schiffen
Auch der Bundesgerichtshof entschied die Frage der Panoramafreiheit für den Konkurrenten.
Das bedeutet: Der Reiseveranstalter darf Fotos vom Kreuzfahrtschiff mit dem aufgemalten Kussmund für seine Werbezwecke nutzen, da sich das Motiv sehr wohl an öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen befindet. Das Schiff ist immer sichtbar.
Damit die Panoramafreiheit gilt, muss sich das Kunstobjekt bleibend in der Öffentlichkeit befinden.
Ein Werk befindet sich nach § 59 I UrhG an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen, wenn es von Orten aus, die unter freiem Himmel liegen und für jedermann frei zugänglich sind, wahrgenommen werden kann, auch wenn das Schiff nicht ortsfest ist und nacheinander an verschiedenen öffentlichen Orten ist.
Bleibend ist das Werk, wenn es aus Sicht der Allgemeinheit dazu bestimmt ist, für längere Zeit dort zu sein.
Das Kreuzfahrtschiff mit dem AIDA-Kussmund befindet sich bleibend an öffentlichen Orten, weil es dazu bestimmt ist, für längere Dauer auf der Hohen See, im Küstenmeer, auf Seewasserstraßen und in Häfen eingesetzt zu werden. Das Schiff kann dort von Orten aus, die für jedermann zugänglich sind, gesehen werden, beispielsweise von allgemein zugänglichen Gewässern oder vom Festland aus. Die Panoramafreiheit umfasst damit auch Werke zum Beispiel an Fahrzeugen, die im öffentlichen Verkehr eingesetzt werden und urheberrechtlich geschützt sind, wie Werbung an Bussen oder Straßenbahnen.
Also: Der Reiseveranstalter kann das Schiff mit dem AIDA-Kussmund fotografieren und für seine Webpräsenz nutzen.
Fazit: Wer Fotos oder Videos auch für nicht kommerzielle Zwecke von Werken im Internet beispielsweise auf Youtube oder Instagram veröffentlicht, die an Autos oder öffentlichen Verkehrsmitteln angebracht sind, benötigt dafür nicht die Zustimmung des Urhebers. Hier greift die Panoramafreiheit. Denn aufgrund der Panoramafreiheit muss der Urheber eine solche Einschränkung seiner Rechte hinnehmen, wenn er sein Werk öffentlich und für eine gewisse Dauer zugänglich macht.
(Anmerkung: Der Volltext des Urteils wurde noch nicht veröffentlich, lediglich die Pressemitteilung dazu.)
BGH, Urteil vom 27.04.2017 – I ZR 247/15 – AIDA Kussmund
Vorinstanzen:
LG Köln – Urteil vom 04.03.2015 – 28 O 554/12
OLG Köln – Urteil vom 23.10.2015 – 6 U 34/15
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Rechtsanwalt Alexander Grundmann
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz
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