23. Juli 2014
Unwahre Tatsachen über Arzt in Bewertungsportal
Ein Unternehmen betreibt im Internet ein Ärztebewertungsportal. Im Bewertungsportal können Internetnutzer ohne Angabe ihres Namens Bewertungen über Ärzte abgeben.
Ein niedergelassener Arzt entdeckte im November 2011 eine Bewertung in dem Internetportal über sich. In der Bewertung wurde über den Arzt behauptet, Patientenakten würden in den Behandlungsräumen in Wäschekörben gelagert, es gebe zu lange Wartezeiten, Folgetermine gebe es nicht zeitnah und eine Erkrankung sei nicht richtig erkannt worden.
In zwei späteren Bewertungen wurden die Behauptungen wiederholt. Die drei Bewertungen wurden jeweils aufgrund entsprechender Mitteilungen des Arztes vom Internetportal gelöscht.
Danach erschien wieder eine Bewertung über den Arzt mit identischen Vorwürfen, die von dem Portal nicht gelöscht worden war.
Anspruch auf Unterlassung und Auskunft über Nutzer?
Daraufhin hat der Arzt das Portal vor dem Landgericht Stuttgart auf Unterlassung und Auskunft über Name und Anschrift des Verfassers der Bewertung verklagt und war damit erfolgreich.
Da es sich um unwahre Tatsachenbehauptungen handelte, bestand gegen das Internetportal ein Anspruch auf Unterlassung gemäß §§ 823, 1004 BGB im Rahmung der Haftung als Störer. Störer im Sinne von § 1004 BGB ist – ohne Rücksicht darauf, ob ihn ein Verschulden trifft – jeder, der die Störung herbeigeführt hat oder dessen Verhalten eine Beeinträchtigung befürchten lässt. Entscheidend ist, dass das Internetportal den Speicherplatz für Bewertungen zur Verfügung stellt und die Möglichkeit einer Einflussnahme auf die Inhalte.
Die Berufung des Internetportals gegen das Urteil beim OLG Stuttgart war erfolglos, so dass das Portal Revision beim Bundesgerichtshof einlegte.
Vom OLG wurde die Revision nur hinsichtlich des Auskunftsanspruchs zugelassen, so dass der BGH nur noch über die Auskunftsanspruch entscheiden musste.
BGH: Kein Auskunftsanpruch gegen Internetportal
Das OLG hatte den Auskunftsanspruch des Arztes gegen das Portal auf die Anmeldedaten des Nutzers, der die Bewertung abgegeben hat, bejaht. Der Anspruch ergäbe sich aus den §§ 242, 259, 260 BGB. Der § 13 Abs. 6 Satz 1 Telemediengesetz (TMG), nach dem ein Diensteanbieter im Internet die Nutzung von Telemedien anonym oder unter Pseudonym ermöglichen muss, schließe den Auskunftsanspruch aus dem BGB nicht aus.
Das OLG schloss sich damit auch einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden, 4 U 58/11, an, das ebenfalls einen Auskunftsanspruch bejaht hatte. Das OLG Hamm hingegen hatte in einem anderen Verfahren einen Auskunftsanspruch wegen § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG, wonach ein Diensteanbieter die Nutzung von Telemedien anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen habe, verneint (OLG Hamm, Beschluss vom 03.08.2011, 3 U 196/10, I-3 U 196/10). Wegen dieser unterschiedlichen Meinungen verschiedener OLG hat das OLG Stuttgart die Revision zugelassen.
BGH und § 12 Telemediengesetz zu personenbezogenen Daten
Das sieht der BGH anders und schafft jetzt Klarheit:
Der BGH hat die Klage auf Auskunftserteilung mit folgender Begründung abgewiesen: Nach § 12 Abs. 2 TMG ist der Betreiber eines Internetportals nicht befugt, ohne Einwilligung des Nutzers dessen personenbezogene Daten zur Erfüllung eines Auskunftsanspruchs wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung an andere zu übermitteln.
Auskunft über die Nutzerdaten darf der Betreiber eines Internetportals somit nur geben, wenn ein Gesetz dies ausdrücklich erlaubt oder der Nutzer eingewilligt hat. Eine solche gesetzliche Erlaubnis, die sich nach dem Wortlaut des § 12 Abs. 2 TMG ausdrücklich auf Telemedien beziehen müsste, wurde bisher, so der BGH – bewusst – nicht geschaffen.
Der BGH schafft allerdings eine Hintertür, in dem er auf § 14 Abs. 2, § 15 Abs. 5 Satz 4 Telemediengesetz (TMG) verweist. Danach darf das Bewertungsportal als Diensteanbieter auf Anordnung der zuständigen Stellen im Einzelfall Auskunft über Bestands-, Nutzungs- und Abrechnungsdaten erteilen, soweit dies u. a. für Zwecke der Strafverfolgung erforderlich ist. Konkret bedeutet dies wohl, dass der Betroffene einer schlechten Bewertung im Internet Strafanzeige stellen muss, um an die Nutzerdaten zu kommen.
BGH, Urteil vom 1. Juli 2014 – VI ZR 345/13
Vorinstanzen:
Landgericht Stuttgart, Urteil vom 11. Januar 2013 – 11 O 172/12
OLG Stuttgart, Urteil vom 26. Juni 2013 – 4 U 28/13