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16. Juli 2018 – Eltern erhalten Zugriff auf den Facebook-Account der verstorbenen Tochter

Der Vertrag zwischen Anbietern sozialer Netzwerke, wie Facebook, und deren Nutzern ist vererbbar – so hat es der Bundesgerichtshof entschieden. Verstirbt ein Nutzer, haben die gesetzlichen Erben Anspruch auf Zugang zum Nutzerkonto samt der darin enthaltenen Inhalte. Bedeutung hat das Urteil weit über den konkreten Fall hinaus für die Frage, ob und wie digitale Inhalte und Verträge vererbt werden und ob das auch mit den Regelungen aus dem über 100 Jahre alten BGB klappt.

Mutter will mehr über Tod ihrer Tochter in deren Nutzerkonto erfahren

Die Mutter eines durch ein U-Bahn-Unglück verstorbenen Mädchens verklagte Facebook auf Zugang zum Nutzerkonto der verstorbenen Minderjährigen, um mehr über die Todesumstände zu erfahren. Nachdem die Klage in der zweiten Instanz abgewiesen wurde entschied nun der Bundesgerichtshof. (Mehr zum Sachverhalt und Verfahrensablauf finden Sie hier: http://www.erbrecht-anwalt-leipzig.de/eltern-erhalten-doch-keinen-zugriff-auf-den-facebook-account-der-verstorbenen-tochter )

Bundesgerichtshof: Digitale Nutzerverträge sind vererbbar

Die verstorbene Tochter hatte einen Nutzungsvertrag mit Facebook geschlossen, der ihr das Recht gibt, Zugang zu den Kommunikationsinhalten zu erhalten. Dieses Zugangsrecht wird nach Auffassung des Bundesgerichtshofs gemäß § 1922 Abs. 1 BGB vererbt.

Das Telekommunikationsgeheimnis steht nicht entgegen. Die Bundesrichter bezogen sich auf § 88 Abs. 3 TKG. Danach dürfen soziale Netzwerke „anderen“ keine Informationen zu Kommunikationsinhalten verschaffen. Erben sind nach Auffassung des Gerichts keine „anderen“, da sie vollständig in die Position des verstorbenen Facebook-Nutzers eintreten. Sie haben dann das Recht auf Zugang.

Diesen Zugang muss Facebook den Erben gewähren, auch wenn sich das Nutzerkonto im Gedenkzustand befindet. Der Gedenkzustand ist nicht in den Nutzungsbedingungen geregelt und ändert nichts am vertraglichen Zugangsrecht.

Außerdem müssen die Nutzer sozialer Netzwerke damit rechnen, dass ihre Kommunikationsinhalte von Dritten wahrgenommen werden. Das kann durch einen missbräuchlichen Zugang geschehen, oder dadurch, dass der Kontonutzer seine Zugangsdaten an andere weitergibt. Laut dem Bundesgerichtshof können Nutzer jedenfalls nicht darauf vertrauen, dass Chats, Fotos etc. überhaupt nicht von anderen eingesehen werden.

Darüber hinaus werden persönliche Briefe und Tagebücher auch vererbt. Das Bundesgericht fand keinen rechtlichen Grund, digitale Inhalte anders zu behandeln.

Außerdem ist die Verstorbene weder durch das postmortale Persönlichkeitsrecht, noch durch die Datenschutz-Grundverordnung geschützt. Letztere gelte nur für lebende Personen.

Trotz grundlegender Klärung bleiben Unsicherheiten bei Digitalen Nachlass

Der Bundesgerichtshof nahm damit Stellung zu einem grundlegenden rechtlichen Problem, der Vererbbarkeit digitaler Verträge. Damit erübrigt sich die im Koalitionsvertrag vorgesehene Neuregelung des digitalen Nachlasses. Rechtsunsicherheiten verbleiben dennoch, da das Telekommunikationsgeheimnis dem Zugangsrecht wohl entgegensteht, wenn sich der Verstorbene und die Erben nicht nahe standen.

Fazit: Die wichtigsten rechtlichen Fragen sind geklärt. Trotzdem ist es auch im Bereich des Digitalen Nachlasses sinnvoll, Vorsorge zu treffen. Interessant bleibt auch, wie Facebook das Urteil umsetzen wird.

 

Ihr Ansprechpartner für Fragen des Digitalen Nachlasses bei Grundmann Häntzschel Rechtsanwälte, Leipzig :

Rechtsanwalt Alexander Grundmann

Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

 

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