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07.07.2015: Zahnarzt muss für Hintergrundmusik in seiner Arztpraxis nichts an die GEMA zahlen

Es ging um die Wiedergabe von Radiosendungen in einer Zahnarztpraxis als Hintergrundmusik und die Frage, ob das urheberrechtlich eine öffentliche Wiedergabe und damit vom Arzt extra zu bezahlen ist.

Die GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte), nimmt Rechte an Werken der Tonkunst für Komponisten, Textdichter und Musikverleger wahr. Sie ist eine so genannte Verwertungsgesellschaft.

Die GEMA macht aber im Rahmen von Verträgen mit anderen Verwertungsgesellschaften auch urheberechtliche Nutzungsrechte für andere Werkarten geltend.

So macht die  GEMA für die VG Wort (Verwertungsgesellschaft Wort) Rechte und Ansprüche der Urheber von Sprachwerken und für die GVL (Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten) Rechte der ausübenden Künstler und Tonträgerhersteller geltend.

Ein Zahnarzt, der selbständig eine zahnärztliche Praxis betreibt, wo im Wartebereich als Hintergrundmusik Radio läuft, hatte im August 2003 mit der GEMA einen Vertrag geschlossen. In dem urheberrechtlichen Lizenzvertrag, hatte die GEMA dem Zahnarzt das Recht zur Nutzung des Repertoires der GEMA, der VG-Wort und der GVL zur Wiedergabe von Hörfunksendungen (juristisch für „Radio“) in seiner Praxis gegen Zahlung einer Vergütung eingeräumt.

Im Dezember 2012 kündigte der Zahnarzt den Lizenzvertrag mit der GEMA fristlos. Der Arzt begründete die Kündigung damit, dass die Wiedergabe von Hintergrundmusik in Zahnarztpraxen nach dem Urteil des EuGH vom 15.3.2012 (C-135/10) keine öffentliche Wiedergabe darstellt.

Damit war die GEMA ganz und gar nicht einverstanden.

Sie verklagte den Zahnarzt auf Zahlung der für Juni 2012 bis Mai 2013 geschuldeten GEMA-Vergütung von knapp 114 € in Anspruch.

Das Amtsgericht verurteilte den Zahnarzt zur Zahlung von 61,64 € nebst Zinsen und wies die Klage der GEMA im Übrigen ab. Gegen das Urteil legte die GEMA erfolglos Berufung ein.

Das Landgericht bestätigte, dass die GEMA nur anteilig vom Zahnarzt Zahlung für den Zeitraum von Juni 2012 bis Dezember 2012 verlangen kann. Der Lizenzvertrag sei durch die fristlose Kündigung des Arztes im Dezember 2012 beendet worden. Die GEMA legte Revision beim BGH ein.

Der BGH gab dem Mediziner erneut Recht. Die GEMA kann die restliche Vergütung nicht beanspruchen, weil der Lizenzvertrag durch die fristlose Kündigung des Arztes im Dezember 2012 beendet wurde.

Die fristlose Kündigung des Mediziners war berechtigt, weil die Geschäftsgrundlage des Lizenzvertrages durch das Urteil des EuGH vom 15.3.2012 entfallen ist. Die Wiedergabe von Radio in Zahnarztpraxen ist nach dem EuGH-Urteil im Allgemeinen – und damit auch bei dem Arzt – nicht öffentlich und damit auch nicht vergütungspflichtig.

Der Arzt hatte den Lizenzvertrag im August 2003 mit der GEMA in der damals zutreffenden Annahme geschlossen, dass die Rechtsprechung in der Lautsprecherübertragung von Hörfunksendungen in Wartezimmern von Arztpraxen eine – vergütungspflichtige – öffentliche Wiedergabe i.S.d. § 15 Abs. 3 UrhG sieht.

Diese öffentliche Wiedergabe griff damit – nach damaliger Rechtslage – auf in das ausschließliche Recht der Urheber von Musikwerken oder Sprachwerken ein, Funksendungen ihrer Werke durch Lautsprecher öffentlich wahrnehmbar zu machen (§ 22 Satz 1 Fall 1 UrhG) und begründete zum anderen einen Anspruch der ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung, soweit damit Sendungen ihrer Darbietungen öffentlich wahrnehmbar gemacht wurden (§ 78 Abs. 2 Nr. 3 Fall 1 UrhG).

Aus dem Urteil des EuGH ergibt sich, dass eine öffentliche Wiedergabe i.S.v. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft und Art. 8 Abs. 2 S. 1 der Richtlinie 2006/115/EG zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums jedenfalls voraussetzt, dass die Wiedergabe gegenüber einer unbestimmten Zahl potenzieller Adressaten und vielen Menschen erfolgt.

Der EuGH hatte mit dem Urteil auch entschieden, dass diese Voraussetzungen im Allgemeinen nicht erfüllt sind, wenn ein Zahnarzt in seiner Praxis für seine Patienten Radio als Hintergrundmusik spielen lässt.

Der BGH ist an die Auslegung des europäischen Unionsrechts durch den EuGH gebunden und muss die entsprechenden Bestimmungen des nationalen Rechts, also hier die Regelungen des deutschen Urheberrechts richtlinienkonform auslegen.

Diese richtige Auslegung war hier für den BGH recht einfach, weil der zu beurteilende Sachverhalt in allen wesentlichen Punkten mit dem Sachverhalt übereinstimmt, den der EuGH seinerzeit entschieden hatte.

BGH Urteil vom 18.6.2015, I ZR 14/14

Vorinstanzen:
AG Düsseldorf – Urteil vom 17. Oktober 2013 – 57 C 12732/12
LG Düsseldorf – Urteil vom 4. April 2013 – 23 S 144/13

Betroffene Gesetze: § 15 Abs. 3 UrhG, § 22 Satz 1 Fall 1 UrhG, § 78 Abs. 2 Nr. 3 Fall 1 UrhG, § 314 BGB.
Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 29/2001/EG, Art. 8 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/115/EG

Stichworte: Radio, Hörfunk, GEMA, Lizenzvertrag, fristlose Kündigung, Wegfall der Geschäftsgrundlage

Fazit:

Europa nützt auch den Ärzten und Zahnärzten:
Radio im Wartezimmer des Arztes laufen lassen ist urheberrechtlich keine öffentliche Wiedergabe.  Daher muss nach dem Gesetz dafür auch nichts an die GEMA bezahlt werden.

Wurde in der Vergangenheit aber ein entsprechender Vertrag mit der GEMA geschlossen, ist dieser Vertrag weiter gültig und muss gekündigt werden, um die Zahlungspflicht zu beenden.

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