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23. 3. 2016 – In Berlin kein Schadensersatz nach MFM-Tabelle – die Pixelio Fälle und die Auswirkungen auf andere Foto-Abmahnungen

Dass Fotos unberechtigt vor allem im Internet benutzt werden, müssen Fotografen nicht hinnehmen. Allerdings hat eine eher kleine Gruppe von Fotografen solche illegalen Nutzungen ihrer Fotos als lukrative Einkommensquelle erschlossen. Bei vielen Abmahnungen wegen unberechtigter Fotonutzung hat man das Gefühl, dass bestimmte Fotografen ihr Geld fast ausschließlich über Abmahnungen verdienen.

Interessant ist die Rechtsprechung von Kammergericht und Landgericht Berlin zu den Pixelio-Fällen.

Pixelio ist eine Bilderdatenbank, auf der „lizenzfreie“ Fotos heruntergeladen und für eigene Zwecke kostenlos verwendet werden dürfen, z.B. auf der eigenen Website.

Abmahnungs-Modell einiger Fotografen war, von Fotonutzern, die zwar von Pixelio eine Lizenz hatten, aber vergessen hatten, den Fotografen auf der Homepage als Urheber richtig zu benennen, Schadensersatz zu verlangen und zwar nicht nur wegen der fehlenden Urhebernennung sondern – weil durch die fehlende Urhebernennung angeblich die Lizenz weggefallen sei – wegen illegaler Fotonutzung.

Schadensersatz und „Verletzerzuschlag“ wegen fehlender Namensnennung nach MFM

Der Hebel dieser Fotografen war bislang die MFM-Tabelle. Die Mittelstandsvereinigung Fotomarketing veröffentlicht Tarife für bestimmte Nutzungsarten von Fotos. Danach kostet die Online-Nutzung eines Fotos ab ca. 300 €. Da bei einer unberechtigten Fotonutzung auch selten der Fotograf als Urheber des Fotos benannt wird, entsteht noch ein 100-prozentiger Aufschlag auf die Lizenz.

Hintergrund des Aufschlags für die fehlende Urhebernennung, der häufig fälschlicherweise „Verletzerzuschlag“ genannt wird (das gibt es nach deutschem Urheberrecht nicht), ist das Persönlichkeitsrecht des Fotografen in Form seines Namensnennungsrechts nach § 13 Urheberrechtsgesetz. Danach muss der Fotograf wie jeder andere Urheber als Urheber am Werk benannt sein. Wenn der Urhebervermerk fehlt, ist es quasi eine Persönlichkeitsrechtsverletzung, die von einigen Gerichten mit einer Verdopplung des Schadensersatzes geahndet wird.

Damit kann ein Fotograf unabhängig davon, ob er vielleicht sonst seine Fotos quasi verschenkt, über die unberechtigte Nutzung eines seiner Fotos von 600 € an aufwärts verdienen.

Landgericht und Kammergericht Berlin deckeln Schadensersatzforderungen der Fotografen

Im letzten Jahr haben die Gerichte in Berlin überhöhten Forderungen bei Abmahnungen wegen unberechtigter Fotonutzung eine klare Absage erteilt.

Die wichtigsten Entscheidungen vom Kammergericht Berlin waren der Hinweisbeschluss vom 26.10.2015 und der Beschluss vom 07.12.2015 (Az. 24 U 111/15) zur Zurückweisung der Berufung eines Fotografen.

Dabei geht es sowohl um die Frage, ob ein redlicher Foto-Nutzer allein dadurch, dass er vergisst, den Fotografen als Urheber zu benennen, zum Fotodieb wird als auch um die generelle Anwendbarkeit der MFM-Tarife für die Berechnung von Schadensersatz im Rahmen der Lizenzanalogie.

Im Beschluss des Kammergerichts vom 07.12.2015 (Az. 24 U 111/15) zum Mythos, dass die fehlende Urhebernennung zum Entfall der Lizenz führen würde:

„Von einer Nutzungsrechtseinräumung durch den Kläger [also des Fotografen – Anm. d. V.] an die Beklagte über pixelio.de ist infolge der vormaligen dortigen Einstellung dieses Fotos durch den Kläger und des Sachvortrages der Beklagten auszugehen. Der auf pixelio.de vorgesehene Lizenzvertrag zwischen dem (Kläger als) Urheber und der (Beklagten als dort registrierter) Nutzerin für die redaktionelle und kommerzielle Nutzung ist auch in Verbindung mit den in Parallelrechtsstreiten vorgetragenen Nutzungsbedingungen bei pixelio nicht dahin auszulegen, dass die Einräumung eines nicht übertragbaren Nutzungsrechts an einen registrierten Nutzer nicht durch die Urheberbenennung und Quellenangabe pixelio im Rechtssinne bedingt worden ist. Vielmehr statuiert die in IV. vertraglich getroffene Regelung dazu lediglich eine Vertragspflicht des Nutzers, ohne dass die Nutzungsrechtseinräumung im Rechtssinne hieran gekoppelt worden ist. …“

Im Beschluss des Kammergerichts vom 07.12.2015 (Az. 24 U 111/15) ist zentrale Aussage zur Berechnung des Schadensersatzes nach Lizenzanalogie:

„Für die in der Berufungsinstanz allein zur Entscheidung stehende Verpflichtung zur Leistung von (weiterem) Schadensersatz kommt es aus Sicht des Senats entscheidend darauf an, dass der im Wege der Lizenzanalogie aufgemachte Schadensersatzanspruch (§ 97 Abs.2 Satz 3 UrhG n.F.) vorliegend deshalb nicht an den MFM-Sätzen zu orientieren ist, da nicht daran vorbeigegangen werden kann, dass die (…) unentgeltliche Lizensierung des betroffenen Fotos über pixelio.de unter bloßer Urheberbenennungspflicht stark darauf hinweist, dass der Kläger im Verletzungszeitraum das streitgegenständliche Foto gerade nicht zu den MFM-Sätzen tatsächlich lizensieren konnte und lizensiert hat. (…) Die einmalige (!) Lizensierung eines anderen (!) Lichtbildes im Jahr 2012 steht der obigen Annahme nicht entgegen. Zu einer „regelmäßigen“ Lizenzierungspraxis ist schon nichts Einlassungsfähiges vorgetragen.“

Was bedeuten diese Gerichtsentscheidungen für Schadensersatzforderungen bei Foto-Abmahnungen?

Die Auswirkungen der neueren Urteile aus Berlin zum Schadensersatz wegen Fotonutzung sind aber nicht nur auf Pixelio-Fälle beschränkt, sondern betreffen auch Schadensersatzforderung in anderen Fällen.

Zwar gilt ein Urteil direkt immer nur zwischen den Parteien des Rechtsstreits, die Auswirkungen von solchen generellen Aussagen, wie sie die Berliner Gerichte jetzt treffen, gehen aber weiter, da man auch nach anderen Foto-Abmahnungen mit diesen Urteilen argumentieren kann.

Schon vor dem Kammergericht hat in einem anderen Verfahren das Landgericht Berlin, Urteil vom 30.07.2015, Az. 16 O 410/14  [Link], die MFM-Tabelle nicht angewendet, wenn ein Fotograf nie nach außen lizensiert war und den Schaden für ein Foto auf 100 Euro geschätzt.

Die den Beschlüssen des Kammergerichts nachfolgenden Urteile des Landgerichts Berlin nehmen auf die klaren Worte des Kammergerichts im Hinweisbeschluss vom 26.10.2015 Bezug.

So schreibt das Landgericht Berlin mit Urteil vom 22.12.2015 (Az. 16 O 38/15, wohl noch nicht rechtskräftig):

„Mit Pixelio hatte der vom Kammergericht entschiedene Fall nur insoweit zu tun, als der Senat bereits wegen der unentgeltlichen Lizensierung über diese Plattform eine Lizensierungspraxis, wie sie der Rechteinhaber zur Grundlage seiner Forderung gemacht hatte, verneint hat. Die vom Senat vorausgesetzten Maßstäbe, nach denen eine solche darzulegen und zu beweisen ist, gelten jedoch allgemein.“

Hinsichtlich der fehlenden Anwendbarkeit der MFM-Tarife sowie hinsichtlich der Bemessung des Schadensersatzbetrags nach Maßgabe von § 287 ZPO in Höhe von 100,– € für die fehlende Urhebernennung des Fotografen wird auf die Ausführungen des Kammergerichts verwiesen.

Im konkreten Fall reichte auch die Offenlegung der Rechnungsempfänger von zwei Rechnungen aus dem Jahr 2012, der Zahlungsbelege sowie die Vorlage einer weiteren Rechnung aus dem Jahr 2015 nicht für eine Lizenzpraxis des Fotografen.

Relevant sind nur Rechnungen für den Zeitraum, der auch für eine Lizenzierung des abgemahnten Fotos relevant sind.

Zwei Rechnungen sind zur Darlegung einer Lizenzierungspraxis nicht ausreichend.

Im Urteil des Landgerichts Berlin vom 29.01.2016 (Az. 16 O 522/14, noch nicht rechtskräftig) schreibt das Gericht unter Bezugnahme auf den BGH:

„Die Berechnung des Schadensersatzes als angemessene Lizenzgebühr entspricht der Regelung des § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG. Für die Berechnung dieser Lizenzgebühr ist nicht mechanisch auf die MFM-Tabelle abzustellen. Maßgebend ist vielmehr die eigene Lizensierungspraxis des Urhebers. Die MFM-Tabelle, bei der ohnehin zweifelhaft ist, inwieweit sie tatsächlich die üblichen Lizenzen von Berufsfotografen abbildet, ist nur dann anzuwenden, wenn auch eine entsprechende Lizensierungspraxis besteht. Die MFM-Tabelle führt zu extrem hohen Schadensersatzbeträgen, die in den meisten Fällen nicht der Lizensierungspraxis des Fotografen entsprechen. Auch der Bundesgerichtshof (GRUR 2015, 258 Rn. 75 – CT-Paradies) geht inzwischen davon aus, dass die Beträge der MFM-Tabelle unangemessen hoch sind. Dies trifft auch auf das vom Kläger verlangte Nutzungshonorar von 819,- € zuzüglich 100 % wegen der fehlenden Urheberbenennung zu. Entsprechend der Praxis der Kammer ist deshalb gem. § 287 ZPO die angemessene Lizenzgebühr für die Nutzung des Fotos auf 100,00 € zu schätzen. Wegen der fehlenden Urheberbenennung ist ein Aufschlag von 100 % um 100,00 € vorzunehmen, so dass sich der zuerkannte Betrag von 200,00 € errechnet. Der darüber hinausgehende Schadensersatzanspruch ist unbegründet.“

Fazit:     Im Rahmen der Prüfung einer Abmahnung ist für die Schadensberechnung relevant, ob der Fotograf oder Rechteinhaber

  • eine ständige regelmäßige Lizensierungspraxis
  • in nennenswertem Umfang,
  • im konkreten Zeitraum

darlegen und beweisen kann.

Zudem kann problematisiert werden, ob die Lizensierungspraxis überhaupt das jeweils abgemahnte Foto betrifft.

Wie Pixelio-Fotos rechtssicher verwendet werden sollen

Gemäß Ziffer IV. der Lizenzbestimmungen von PIXELIO sind Bildnutzer verpflichtet,

  1. am Bild selbst oder am Seitenende (nicht nur im Impressum, wie es oft geschieht!) in einem Urhebervermerk  den Fotografen und PIXELIO als Bildquelle aufzuführen und
  2. wenn das Foto auf einer Internetseite genutzt wird, zusätzlich auf pixelio.de zu verlinken.

Die Quellenangabe/Urhebernennung ist dann:

© Fotografenname / PIXELIO

Zum Weiterlesen in Sachen Pixelio.

update 7. Mai 2019: Die Berliner Gerichte werden vom Bundesgerichtshof bestätigt, BGH, Urteil vom 13.09.2018, Az. I ZR 187/17, der wiederum eine Entscheidung von Amtsgericht und Landgericht Leipzig bestätigt, die die pauschale Anwendung der MFM-Tabelle ebenfalls ablehnen und auch 100 Euro Schadensersatz zugesprochen haben.

Wir beraten Sie zum Recht an Fotos und Urheberrecht!

Rechtsanwalt Alexander Grundmann, LL.M

Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

Grundmann Häntzschel Rechtsanwälte in Leipzig

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