Rechtsblog

17.07.2015: Jameda, Sanego und Co. – Teil 2

Teil 2: Wie wehrt man sich gegen persönlichkeitsrechtsverletzende Bewertungen?

Nachdem sich der erste Teil damit beschäftigte, wann Bewertungen im Internet das Persönlichkeitsrecht verletzen, beschäftigt sich der zweite Teil mit Möglichkeiten des Rechtsschutzes.

Da der Verfasser der Bewertung wegen seiner Anonymität nicht erreichbar ist, stellt sich die Frage, welche rechtlichen Möglichkeiten es gibt, um den Portalbetreiber zur Löschung der Bewertung zu verpflichten.

Störerhaftung des Portalbetreibers

Da der Portalbetreiber nicht Verfasser der Bewertung ist, sondern nur die technische Infrastruktur zur Ärztebewertung bereitstellt, kommt keine Haftung als Täter in Frage. Stattdessen greift die sogenannte „Störerhaftung“. Störer ist, wer ohne Täter oder Teilnehmer zu sein, in irgendeiner Weise zur Rechtsgutsverletzung beiträgt und damit auch Anteil an der Verursachung der Rechtsgutsverletzung hat.

Der Betreiber eines Bewertungsportals trägt eigenständig Informationen über Ärzte, wie Sprechzeiten, Adresse, Werdegang des Arztes und angebotene Leistungen zusammen und bietet die Möglichkeit der Bewertung des Arztes durch Patienten im Internet an. Der Portalbetreiber leistet damit einen Beitrag zu Rechtsgutsverletzungen, wenn Nutzer persönlichkeitsrechtsverletzende Kommentare posten, denn ohne die vom Portalbetreiber eingeräumte Möglichkeit einer Bewertung, wäre es nicht zur Rechtsgutsverletzung gekommen. Der Portalbetreiber kann daher als Störer haften.

Inhalt und Reichweite zumutbarer Prüfpflichten

Damit die Störerhaftung nicht ausufert, haftet der Portalbetreiber nur als Störer, wenn er gegen zumutbare Prüfpflichten verstoßen hat. Es muss also erst festgestellt werden, ob überhaupt Anlass zur Prüfung bestand und im zweiten Schritt, ob der Portalbetreiber eine zumutbare Prüfung unterlassen hat.

Um die Pflichten des Portalbetreibers bestimmen zu können, müssen die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden. Es sind alle betroffenen Interessen und relevanten rechtlichen Wertungen einer Abwägung zu unterziehen.

Die Prüfpflichten dürfen jedenfalls nicht soweit gehen, dass das Geschäftsmodell wirtschaftlich gefährdet wird. Einfache Kontrollmechanismen, wie Suchfunktionen um gängige Beleidigungen herauszufiltern sind auf jeden Fall zumutbar. Nicht zumutbar ist dagegen, jede einzelne Bewertung auf Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu untersuchen.

Prüfpflichten: „notice and take down“

Sobald der Betreiber eines Bewertungsportals auf eine Rechtsverletzung hingewiesen wird, muss er die Bewertung überprüfen und gegebenenfalls die Löschung der Bewertung veranlassen. Rechtsgrundlage dieses „notice and take down“ -Prinzips ist § 10 Telemediengesetz. Danach ist der Diensteanbieter nicht für fremde Inhalte verantwortlich, wenn er von diesen keine Kenntnis hat. Sobald der Diensteanbieter (hier der Betreiber des Ärztebewertungsportals) aber auf den rechtsverletzenden Inhalt aufmerksam gemacht wird, muss er unverzüglich tätig werden, um nicht als Störer zu haften. (siehe dazu Rechtsblog: Oberlandesgericht München, Beschluss vom 17.10.2014 –  Az.: 18 W 1933/14)

Rechtsverletzung: Schwierige Prüfung bei angeblich falschen Tatsachenbehauptungen

Für den Portalbetreiber ist es mitunter schwer festzustellen, ob die behaupteten Tatsachen tatsächlich falsch und deshalb persönlichkeitsrechtsverletzend sind.

Verdeckte Tatsachen

Vorallem bei sogenannten verdeckten Tatsachen ist für den Portalbetreiber die Prüfung der Bewertung kaum möglich. Mit verdeckten Tatsachen sind Äußerungen gemeint, die im Gesamtzusammenhang versteckte Aussagen enthalten. Es entsteht für den Leser der Bewertung der Eindruck die Aussage bezieht sich nur auf den geschilderten Sachverhalt. Tatsächlich lässt der Bewertende andere Eindrücke zum Beispiel aus anderen Behandlungen oder dem Leser unbekannten Tatsachen einfließen, die möglicherweise mit der ärztlichen Behandlung gar nichts zu tun haben.

Beispiel: Der Patient klagt im Bewertungsportal über Schmerzen nach der Behandlung bei dem bewerteten Arzt. Tatsächlich ist der Patient auf dem Heimweg gestürzt und hat sich am Fuß verletzt. Das verschweigt er aber in der Bewertung, sodass beim Leser der Eindruck entsteht, die Schmerzen seien Folge der ärztlichen Behandlung gewesen.

Konkrete Gegenbehauptung durch Arzt erforderlich

Der betroffene Arzt muss die Gegenbehauptungen möglichst konkret fassen. Auf der Grundlage dieser Gegenbehauptung muss ein Rechtsverstoß eindeutig bejaht werden können. Der Portalbetreiber muss dann den Portalnutzer, der die Behauptung aufgestellt hat, um Stellungnahme bitten. Äußert sich dieser nicht, oder kann er nichts stichhaltiges entgegensetzen, muss die Bewertung gelöscht werden

Schweigepflicht als Hindernis

Weist aber der Nutzer nach, dass seine Behauptung der Wahrheit entspricht, zum Beispiel indem er Zeit und Datum sowie den konkreten Behandlungsverlauf und die beteiligten Personen benennen kann, muss der Arzt selbst weitere Beweise erbringen. Der Arzt (gleiches gilt für Rechtsanwälte und andere Geheimnisträger) wird spätestens auf dieser Stufe mit der Schweigepflicht in Konflikt geraten, die ihm verbietet über Behandlungen und die Patienten überhaupt Auskunft zu geben. Andernfalls stünde eine Strafbarkeit nach § 203 Strafgesetzbuch wegen der Verletzung von Privatgeheimnissen im Raum.

Reichweite der Löschungspflicht

Hat sich die Arztbewertung als falsch oder beleidigend herausgestellt, muss diese gelöscht werden. Kann der Arzt aber auch die Löschung seines ganzen Bewertungsprofils samt aller über ihn gesammelten Informationen verlangen?

Die Antwort lautet nein. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs überwiegt das Meinungsäußerungsrecht der Nutzer sowie das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegenüber dem Persönlichkeitsrecht des Arztes. Der Arzt befinde sich im Wettbewerb mit anderen Ärzten und müsse ein gesundes Maß an Kritik hinnehmen. Die Möglichkeit der Bewertung gehört zu der Kritik die ein Arzt dulden muss. (siehe dazu: Rechtsblog: Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.09.2014, Az. VI ZR 358/13; Oberlandesgericht Frankfurt a.M., Urteil vom 08.03.2012 – Az.: 16 U 125/11)

Die auf dem Bewertungsprofil gesammelten Informationen des Arztes dienen der Information der Öffentlichkeit und der Patienten und dürfen vom Bewertungsportal gesammelt werden, da der Arzt ohnehin öffentlich erreichbar ist.

Rechtstipps und Urteile

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