Das Landgericht München hat wegen der Klärung von Fragen bei Filesharing-Fällen in offenen WLAN-Netzen den Europäischen Gerichtshof eingeschaltet.
Abmahnung wegen Filesharing in offenem WLAN
Im konkreten Fall geht es um eine Abmahnung wegen illegalem Filesharing eines Musikstücks gegen den Anschlussinhaber. Der Anschlussinhaber betreibt ein Gewerbe für Licht- und Tontechnik. Über seinen Anschluss stellt er ein offenes WLAN-Netz zur Verfügung. Über dieses Netz wurde über eine Tauschbörse ein Musikstück illegal getauscht. Der Rechteinhaber verlangt wegen der Urheberrechtsverletzung Unterlassung und Schadenersatz vom Anschlussinhaber. Er hafte nach Ansicht des Rechteinhabers als Störer, da er Sicherungspflichten verletzt habe. Der Anschlussinhaber zahlte aber nicht, sondern klagte daraufhin selbst auf Feststellung, dass er nicht als hafte. Der Rechteinhaber erhob Widerklage mit dem Ziel, den Anschlussinhaber zu Schadenersatz und Unterlassung zu verurteilen.
Verfahren wird ausgesetzt – Vorlage an EuGH
Diensteanbieter, die den Zugang zu einem Kommunikationsnetz übermitteln, sind nach § 8 Telemediengesetz für fremde Informationen grundsätzlich nicht verantwortlich. Es ist aber bislang nicht geklärt, ob dieses sogenannte Provider-Privileg auch für offene WLAN-Netze gilt.
Das Landgericht München wollte nun, wegen der unklaren Rechtslage für WLAN-Netze, grundlegende Fragen geklärt wissen und legte dem Europäischen Gerichtshof einige Fragen vor. Das Verfahren wird solange ausgesetzt.
Die Vorlage an den Europäischen Gerichtshof ist möglich, wenn es um die Auslegung von europäischem Recht geht. Da sich das Telemediengesetz aus europäischen Richtlinien ergibt, konnte sich das Landgericht München mit seinen Fragen an den Europäischen Gerichtshof wenden.
Welche Voraussetzungen sind an die Haftungsprivilegierung geknüpft?
Des Landgericht München fragt, ob und unter welchen Voraussetzungen sich der Betreiber eines gewerblichen WLAN-Netzes auf die Haftungspriviligierung des § 8 TMG berufen kann.
Das Gericht möchte wissen, ob der Diensteanbieter nur in den Genuss der Haftungsprivilegierung kommt, wenn er das WLAN-Netz entgeltlich zur Verfügung stellt oder ob im Einzelfall auch die kostenlose Bereitstellung genügt. Es geht also darum, was der europäische Gesetzgeber mit „in der Regel gegen Entgelt“ meint. Müssen dazu vertragliche Absprachen getroffen werden oder genügt für die Vermittlung des Internets der bloße Zugang zum WLAN-Netz? Genügt es, das WLAN-Netz bereitzustellen oder muss es angepriesen oder bekanntgemacht werden? Muss das WLAN-Netz mit dem ursprünglichen Geschäftszweck in Verbindung stehen?
Wie weit reicht die Haftungsprivilegierung aus dem TMG?
Sollte die Haftungsprivilegierung bestehen, ist der Anschlussinhaber nicht für die Urheberrechtsverletzungen über das WLAN-Netz verantwortlich und müsste keinen Schadenersatz zahlen. Das Landgericht München stellt die Frage, wie weit die Privilegierung der §§ 8-10 Telemediengesetz reicht.
Sind dann auch Unterlassungsansprüche gegen den Anschlussinhaber ausgeschlossen? Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Unterlassungsansprüche bisher nicht ausgeschlossen. Praktisch heißt das, dass der Anschlussinhaber, wenn er die Urheberrechtsverletzung bemerkt oder darauf hingewiesen wird, diese nach Möglichkeit beseitigen muss. Den Anschlussinhaber treffen dann zumutbare Prüfungs- und Überwachungspflichten. Sollte der Europäische Gerichtshof Unterlassungsansprüche in das Provider-Privileg einbeziehen, wäre es nahezu unmöglich bei illegalem Filesharing gegen den Netzbetreiber bzw. Anschlussinhaber vorzugehen.
Das Landgericht München möchte außerdem wissen, ob der Anschlussinhaber, wenn ein Unterlassungsanspruch besteht, auch schon vor Kenntnis der Rechtsverletzung haftbar gemacht werden kann. Wenn ja, würde das bedeuten, dass ihn auch ohne Anlass verstärkte Prüfungs- und Kontrollpflichten treffen würden.
Welche Prüfungs- und Kontrollpflichten bestehen beim Betrieb eines WLAN-Netzes?
An den Europäischen Gerichtshof wird auch die Frage gerichtet, welche Prüfungs- und Kontrollpflichten beim Betrieb eines offenen WLAN-Netzes bestehen. Welche Maßnahmen muss ein WLAN-Netz-Betreiber ergreifen? Könnte auch ein Passwortschutz eingerichtet werden, obwohl dies dem Sinn und Zweck eines offenen Netzes widerspricht? Muss der Betreiber das Netz notfalls stilllegen? Dürfte der Anschlussinhaber im Rahmen seiner Kontrollpflichten die laufende Kommunikation überwachen? Das Landgericht München möchte damit auch klären lassen, inwieweit Persönlichkeitsrechte der Nutzer zur Verhinderung von Urheberrechtsverletzungen eingeschränkt werden können.
Fazit: Rechtsstreite mit offenen WLAN-Netzen häufen sich in letzter Zeit. Vor allem im Hotel- und Gastgewerbe ist das Thema stets aktuell, da Hoteliers und Cafe-Betreiber ihren Gästen gerne eine unbeschränkte Internetnutzung ermöglichen wollen. Das Amtsgericht Hamburg entschied vor kurzem einen Filesharing Fall in einem Hotel-WLAN zugunsten des Anschlussinhabers (im Rechtsblog: AG Hamburg, 24.06.2014, Aktenzeichen: 25b C 924/13). Das Provider-Privileg wurde in dem Fall für den Betrieb eines gewerblichen WLAN-Netzes vollständig anerkannt, sodass der Hotelbetreiber keinen Schadenersatz zahlen musste.
Doch nach wie vor herrscht Unsicherheit darüber, ob und wie gewerbliche oder private WLAN-Netz-Betreiber als Diensteanbieter nach dem Telemediengesetz von den Haftungsprivilegierungen profitieren. Die Entscheidung des europäischen Gerichtshof wird deshalb mit Spannung erwartet. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Richter zu den Fragen möglichst klarstellend und eindeutig äußern, um den deutschen Gerichten eine endgültige Orientierung und den Netzbetreibern Rechtssicherheit zu geben.
Landgericht München I, Beschluss vom 18.09.2014 – AZ.: 7 O 14719/12
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Rechtsanwalt Alexander Grundmann
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
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