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10.06.15 Designrecht: Designschutz über das Urheberrecht vom BGH geschützt?

Werden Designs auch über das Urheberrecht geschützt?

Interessant für Gestalter/Designer ist die Ende 2013 geänderte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zum Schutz von Designs von Gebrauchsgegenständen über den Urheberrechtsschutz.

In der Entscheidung „Geburtstagszug“ hat der BGH mit Urteil vom 13. November 2013, Az. I ZR 143/12 seine hohen Anforderungen an den Urheberrechtsschutz von Design deutlich abgesenkt.

Urheberrechtsschutz für Gestaltung von Gebrauchsprodukten

Zu entscheiden hatte der BGH im konkreten Rechtsstreit, ob an einem Kinderspielzeug aus Holz Urheberrechtsschutz besteht.

Die Designerin eines „Geburtstagszugs“ war für ihre Arbeit mit einem Hungerlohn abgespeist worden. Das Spielzeug war kommerziell ein großer Erfolg.
Fraglich war, ob die Designerin eine angemessene Vergütung nach dem Urheberrechtsgesetz und damit nachträglich eine Erhöhung ihres Honorars fordern konnte.
Voraussetzung für das Eingreifen des Urheberschutzes ist, dass das Spielzeug ein urheberrechtlich geschütztes Werk der angewandten Kunst ist.
Nach der  jahrelangen Rechtsprechung waren Werke der angewandten Kunst über das Urheberrecht nur dann geschützt, wenn sie – so die Gerichte – „Durchschnittsgestaltungen deutlich überragten“.

„Normale“ Gestaltungen von Gebrauchsprodukten, wie Möbel, Schmuck, Spielzeug, Webdesign, Werbedesign, Autos oder Mode waren – anders als die Produkte der freien Künste – also klassiche „Kuntswerke“ nicht über das Urheberrecht geschützt.

Anders als bei allen anderen Werkarten galten bei Designs höhere Anforderungen, um in den Schutz des Urheberrechts zu kommen.
Rechtliche Kategorie ist die „Schöpfunghöhe“. Ausreichende Schöpfungshöhe führt zu einem urheberrechtlichem „Werk“. Ein solches Werk hat dann Urheberrechtsschutz.

Die notwendige Schöpfungshöhe und damit die Anforderungen an die Kreativität sind im Urheberrecht niedrig. Somit ist beispielsweise jede noch so dilettantische Kinderzeichnung über das Urheberrecht geschützt. Im Gegensatz dazu war aber eine „normale“ Designleistung eines ausgebildeten Gestalters nicht als Werk geschützt.

Unterschied zwischen Designrecht und Urheberrecht

Das Designrecht (Geschmacksmusterrecht) ist aber ein sehr viel schwächeres Recht als das Urheberrecht.

Für Designs bestand nach der alten bisherigen Rechtsprechung nur die Möglichkeit eines Geschmacksmusterschutzes (jetzt eingetragenes Design).

Aus Sicht des Designers ist Nachteil des Designschutzes gegenüber dem Schutz über das Urheberrecht z.B. eine deutlich verkürzte Schutzdauer (maximal 25 Jahre ab Antrag auf Eintragung statt 70 Jahre nach Tod des Urhebers).

Ein vollwertiges Designrecht (früher Geschmacksmusterrecht) entsteht außerdem nur nach einer  Registrierung – ähnlich einer Marke – beim DPMA.

Für die Kreativszene insgesamt war der schwächere Schutz über das eingetragene Geschmacksmuster (eingetragenes Design) günstiger, da bestimmte Designs in deutlich geringerem Umfang und deutlich kürzer als nach dem Urheberrecht monopolisiert werden konnten.

Begründung für die Änderung der Rechtsprechung

Hauptgrund dafür, dass früher nur im Ausnahmefall bei besonders herausragenden Designs Urheberrechte gewährt wurden für war die parallel-Existenz eine förmlichen Geschmacksmusterschutzes.

Das Geschmacksmusterrecht wurde immer als „kleines Urheberrecht“ gesehen.

Die Gerichte haben das Verhältnis von Geschmacksmusterrecht und Urheberrecht immer so verstanden, dass das Geschmacksmusterrecht ein spezielles Urheberrecht für Designs und Gebrauchskunst ist und deshalb für den Bereich, den das Geschmacksmuster abdeckt, das Urheberrecht nicht anwendbar ist. Da im Designrecht besondere Regelungen gelten, insbesondere die Registrierung als Voraussetzung für einen Schutz und die kürzere Schutzdauer von nur maximal 25 Jahren, hätte die Anwendung des
Urheberrechtsschutzes zu einer Art Überholung des Geschmacksmusterrechts geführt.

Nach der Kehrtwende des BGH ist das Geschmacksmuster heute kein „kleines Urheberrecht“ mehr. Für diese Meinungsänderung gibt es verschiedene Begründungen:

Ein wichtiger Grund ist vielleicht das europäische Urheberrecht. Die bisherige deutsche Rechtsprechung wurde schon länger kritisiert, weil die erhöhten Anforderungen an die Schöpfungshöhe nur beim Design eine Besonderheit des deutschen Urheberrechts war, die wohl gegen EU-Recht verstieß.

Die Frage ist, ob die EU durch mehrere Urheberrechtsrichtlinien einen „europäischen Werkbegriff“ geschaffen hat, der hinsichtlich der Schöpfungshöhe und damit der Kreativität keine
keine erhöhten Anforderungen bei bestimmten Werkarten erlaubt.

Der BGH sagt zwar, dass es keinen allgemeinen „europäischen Werkbegriff“ gibt, weil es europarechtliche Vorgaben zum „Werk“ nur für den Schutz von Lichtbildern, Computerprogrammen und Datenbanken gibt.

Bei allen anderen Werkarten, Musik, Filme oder eben auch Werken der angewandten Kunst können die nationalen Gerichte weiter selbst bestimmen, ob und unter welchen Voraussetzungen Urheberrechtsschutz gewährt wird.

Die eigene Begründung des BGH zu seinem Urteil  ist die Änderung des deutschen Geschmacksmusterrechts durch eine Gesetzesreform im Jahr 2004.

Durch das neue Geschmacksmusterrecht seien die Anforderungen und die Schutzrichtung des Geschmacksmusterrechts so verändert worden, dass jetzt zwischen Urheberrecht und Geschmacksmusterrecht kein Stufenverhältnis mehr bestehe.

Das neue Geschmacksmusterrecht ist eben mittlerweile kein „kleines Urheberrecht“ mehr, sondern ein eigenständiges gewerbliches Schutzrecht, das sich nicht graduell, sondern grundsätzlich vom Urheberrecht unterscheide.

Das Geschmacksmuster setze nur voraus, dass sich eine neue Gestaltung vom bestehenden „Formenschatz“, also den vorher existierenden Gestaltungen dieser Art, unterscheide (Eigenart), Für das Urheberrecht sei eine Art künstlerischer Überschuss (rechtlich „Individualität“) erforderlich.

Da Urheberrecht und Geschmacksmusterrecht daher heute wesensverschieden sind, schließen sie sich nach Auffassung des BGH jetzt nicht mehr gegenseitig aus, sondern können auch nebeneinander bestehen.

Anforderungen an Urheberschutz für Design

Der BGH stellt im Urteil klar, dass es für den Urheberrechtschutz auch weiterhin nicht ausreicht, dass eine neue Gestaltung neu ist. Für den Urheberrechtsschutz ist vielmehr notwendig, dass der gestaltete Gebrauchsgegenstand über seine „von der Funktion vorgegebene Form hinaus künstlerisch gestaltet ist und diese Gestaltung eine Gestaltungshöhe erreicht, die Urheberrechtsschutz rechtfertigt.“

Das bedeutet: Die Gestaltung eines Gegenstands  muss einen gewissen künstlerischen Überschuss aufweisen. Ob das so ist, soll vom Blick der für  „Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise“ abhängen.

Rechtstipps und Urteile

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