Abmahnungen im Bereich des Urheber- und Medienrechts und des gewerblichen Rechtsschutzes ermöglichen es beiden Seiten, einen Streit ohne ein aufwändiges und kostenintensives Gerichtsverfahren zu klären. Abmahnungen können aber auch missbraucht werden. Dann sind sie unwirksam.
1. Wann ist eine Abmahnung rechtsmissbräuchlich?
Abmahnungen können aus verschiedenen Gründen rechtsmissbräuchlich sein. Pauschal kann man nicht sagen, wann eine Abmahnung missbräuchlich ist. Jede Abmahnung muss genau geprüft werden. Es gibt aber ein paar „Klassiker“, die hier vorgestellt werden:
a. Eine Rechtsverletzung – mehrere Abmahnungen
Rechtsmissbräuchlich kann es sein, wenn auf eine Handlung hin mehrere Abmahnungen verschickt werden. Dies zeigen die zwei folgenden Fälle. In einem Fall haben zwei Unternehmen mit demselben Anwalt einen Mitbewerber abgemahnt.
Mehrere Unternehmen eines Konzerns mahnen einen Konkurrenten ab
Ein Beispiel für eine rechtsmissbräuchliche Mehrfachbewerbung ist folgender Fall: In einer Zeitung hatte ein Elektronikhändler eine Werbeanzeige platziert. Er warb damit, dass er günstigere Preise habe, als einer seiner Konkurrenten. Der Konkurrent beauftragte daraufhin seinen Anwalt, den Elektronikhändler abzumahnen. Der Anwalt schickte dem Elektronikhändler aber nicht nur eine, sondern gleich zwei Abmahnungen. Zu seinen Mandanten gehörte nämlich noch ein weiterer Wettbewerber des Elektronikhändlers, der auch noch zum selben Konzern gehört, wie der zunächst betroffene Konkurrent. Auch in dessen Namen verschickte der Anwalt eine Abmahnung.
Der Bundesgerichtshof sah beide Abmahnungen als rechtsmissbräuchlich an. Eine Abmahnung soll eine Möglichkeit bieten, einen Streit kostengünstig aus der Welt zu schaffen. Durch die zwei Abmahnungen hätte der Elektronikhändler aber die doppelten Abmahnkosten zahlen müssen. Dabei hätte auch eine Abmahnung genügt, damit er nicht mehr unrechtmäßig wirbt. Da beide Konkurrenten zum selben Konzern gehören und denselben Anwalt haben, hätten Sie ihr Vorgehen so gestalten können, dass der Händler nicht zu stark belastet wird. Allerdings erschien es dem Bundesgerichtshof gerade andersherum zu sein: Es lag nahe, dass die Unternehmen von der je anderen Abmahnung wussten. Diese Art der Mehrfachabmahnung ist grundsätzlich rechtsmissbräuchlich.
Ein Anwalt organisiert mehrere Abmahnungen
Ein weiteres aktuelles Beispiel für eine rechtsmissbräuchliche Mehrfachabmahnung zeigt ein Domainstreit, an dem unsere Kanzlei beteiligt war. Ein Anwalt sicherte sich zwei Domains. Die Domainnamen setzten sich aus den Namen seiner ehemaligen Kollegen zusammen, die er im Streit verlassen hatte. Das mahnten die Anwälte ab, da sie in ihrem Namensrechte verletzt waren. Sie schickten aber nicht eine Abmahnung, sondern gleich zwei und ließen zwei weitere Anwälte Abmahnungen versenden. Somit erhielt der Abgemahnte an einem Tag vier Abmahnungen von drei unterschiedlichen Kanzleien, die alle die selbe Sache betrafen.
Das Landgericht Leipzig (Urteil vom 13.02.2018, Az.: 05 S 192/17) urteilte, dass alle Abmahnungen rechtsmissbräuchlich sind. Eine Abmahnung hätte gereicht, um die Namensrechtsverletzung zu rügen. Die Folge ist, dass der Abgemahnte keine Kosten zahlen muss. Obwohl die Abmahnanwälte in ihren Namensrechten verletzt waren, mussten sie die Gerichtskosten bezahlen. Das Urteil ist im vorhergehenden Artikel ausführlich besprochen.
b. Forderung unverhältnismäßig hoher Vertragsstrafen
Neben der Mehrfachforderung ist ein weiterer „Klassiker“ die unverhältnismäßig hohe Vertragsstrafe. Vertragsstrafen sind Teil der Unterlassungserklärung, die mit einer Abmahnung einhergeht. Sind sie unverhältnismäßig hoch, ist die Abmahnung rechtsmissbräuchlich (Köhler/Bornkamm § 8 UWG, Rn. 4.12a). Wann eine Strafe unverhältnismäßig hoch ist, ist nicht einfach zu sagen. Es kommt auf viele Details an, die man im einzelnen Fall genau prüfen muss.
c. Abmahnung als Geschäftsmodell
Ein dritter Klassiker für die rechtsmissbräuchliche Abmahnung ist es, wenn Anwälte Abmahnungen in Eigenregie betreiben.
So ist es zum Beispiel, wenn ein Anwalt in großem Stil selbst Rechtsverletzungen ermittelt und dann die Betroffenen sucht, damit er in ihrem Auftrag Abmahnungen aussprechen und daran Geld verdienen kann. Außerdem ist es rechtsmissbräuchlich, wenn ein Anwalt Abmahnungen ausspricht, um sich eine Erwerbsquelle zu verschaffen, weil er mit seinen anderen Tätigkeiten kein Geld verdient. Ein Indiz dafür kann sein, dass die eigentliche Rechtsverletzung eine Bagatelle ist, der Anwalt sich über die Abmahnkosten aber finanzieren möchte (Köhler/Bornkamm § 8 UWG, Rn. 4.12b).
2. Was ist die Folge einer rechtsmissbräuchlichen Abmahnung?
Auf eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung muss nicht gezahlt werden. Ist eine Abmahnung missbräuchlich, so ist sie unwirksam. Das heißt, dass auch das Geld, was in der Abmahnung gefordert wird, nicht bezahlt werden muss. Vielmehr kann der Abgemahnte, der sich gegen eine Abmahnung verteidigt, seine (Anwalts-)Kosten verlangen, wenn er missbräuchlich abgemahnt worden ist.
Eine missbräuchliche Abmahnung hat aber keinen Einfluss auf die eigentliche Rechtsverletzung. Der Verletzte kann jederzeit Klage erheben. Deswegen sollte die Rechtslage genau geprüft werden.
3. Geld zurück bei missbräuchlicher Abmahnung?
Ist man auf eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung eingegangen und hat diese akzepiert, ist es oft noch nicht zu spät. Hat man die Abmahnkosten gezahlt, kann man sie zurückfordern. Auch wenn man die Unterlassungserklärung unterschrieben hat, kann man diesen Unterwerfungsvertrag in der Regel kündigen (Oberlandsgericht Hamm, Urteil vom 17.08.2010, Az.: I-4 U 62/10).
Fazit: Eine Abmahnung kann aus verschiedenen Gründen unwirksam sein. Das ist von Abmahnung zu Abmahnung unterschiedlich. Man muss jede einzelne Abmahnung sorgfältig prüfen. Wie immer gilt: Nie ungeprüft eine Unterlassungserklärung unterschreiben.Kontaktieren Sie mich, ich prüfe Ihre Abmahnung und berate Sie, wie Sie am besten reagieren.
Ihr Ansprechpartner bei Grundmann Häntzschel Rechtsanwälte zum Thema Abmahnung:
Rechtsanwalt Alexander Grundmann
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