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Amtsgericht Charlottenburg: Betreiber von offenem WLAN-Netzwerk haftet nicht als Störer für Urheberrechtsverletzungen

Das Amtsgericht Charlottenburg hat mit Beschluss vom 17.12.2014 entschieden, dass der Betreiber eines offenen kostenlosen WLAN-Netzwerkes, nicht für über dieses Netz begangene Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing haftet.

Abmahnung wegen Filesharing – Abgemahnter wehrt sich mit Feststellungsklage

Ein privater Freifunknetz-Betreiber stellte über WLAN einen öffentlichen und kostenlosen Internetzugang zur Verfügung. Er wurde von der deutschen Marketing- und Vertriebsgesellschaft für Filme sowie das Fernsehprogramm wegen einer Urheberrechtsverletzung durch Filesharing abgemahnt und zur Zahlung von Schadenersatz aufgefordert, da über dieses WLAN-Netz ein Film illegal über eine Tauschbörse heruntergeladen und angeboten wurde.

Der Netzbetreiber war der Auffassung, dass ihm die Privilegierung des § 8 TMG (Telemediengesetz) zugute käme. Nach § 8 TMG sind Anbieter eines Kommunikationsnetzes in der Regel für fremde übermittelte Informationen nicht verantwortlich. Er klagte deshalb gegen den Rechteinhaber auf Feststellung, dass er weder Schadenersatz noch Abmahnkosten zahlen muss.

Klagerücknahme – nur Entscheidung über die Kosten

Kurz nachdem der Netzbetreiber die Klage beim Gericht eingereicht hatte, zog die Rechteinhaberin die Abmahnung zurück. Der Netzbetreiber nahm daraufhin die Klage zurück. Die Parteien stritten nun noch über die Kostentragungspflicht. Das Gericht musste deshalb entscheiden, wer den Rechtsstreit voraussichtlich verloren hätte.

Täterschaftsvermutung des Anschlussinhabers wird in Frage gestellt

Das Amtsgericht Charlottenburg kam zum Ergebnis, dass die Rechteinhaberin den Rechtsstreit verloren hätte.

Gegenüber dem Netzbetreiber/ Anschlussinhaber gilt nach überwiegender Rechtsprechung die Vermutung, dass er selbst Täter der Urheberrechtsverletzung ist, wenn das Filesharing über seinen Anschluss erfolgte.

Diese Vermutung wird aber vom Gericht in Frage gestellt. Nach allgemeiner Lebenserfahrung wird der Internetanschluss in einer vernetzten Gesellschaft eben nicht in erster Linie nur durch den Anschlussinhaber genutzt. In Mehrpersonenhaushalten könne nach alltäglicher Erfahrung jeder das Internet selbstständig nutzen, ohne kontrolliert zu werden.

Der Anschlussinhaber genügt daher nach Ansicht des Amtsgerichts Charlottenburg seiner sekundären Berweislast, wenn er seine Täterschaft bestreitet und darlegt, dass andere Personen selbstständig auf den Internetanschluss zugreifen konnten. Denn daraus ergibt sich die Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs.

Filesharing – Mehrpersonenhaushalt und Freifunk-Netzwerk vergleichbar

Für ein offenes WLAN-Netzwerk gelten laut Amtsgericht Charlottenburg die selben Grundsätze, wie für Mehrpersonenhaushalte.

Nicht nur der Betreiber selbst, sondern auch andere Nutzer des Netzwerkes konnten den Internetanschluss selbstständig nutzen und die Urheberrechtsverletzung begehen. Dies sei vom Netzbetreiber nachvollziehbar vorgetragen worden. Laut Gericht ist der Netzbetreiber damit seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen. Es fehle außerdem an entsprechenden Beweisen der Rechteinhaberin, dass der Netzbetreiber selbst illegales Filesharing betrieb.

Privilegierung nach TMG – Störerhaftung ausgeschlossen

Eine Störerhaftung, etwa wegen Verletzung von Prüfungspflichten scheidet nach Ansicht des Amtsgerichts Charlottenburg ebenfalls aus. Art und Umfang der Prüfungs- und Kontrollmaßnahmen richten sich nach den Umständen des Einzelfalls.

Die Überwachung von Nutzern sei dem privaten Netzbetreiber hier nicht zuzumuten. Auch das Sperren von verdächtigen Internetseiten oder das Registrieren von Nutzern durch spezielle Software kann von einem privaten Betreiber eines WLAN-Netzes nicht erwartet werden.

Der Anschlussinhaber kann sich nach Auffassung des Amtsgerichts Charlottenburg durch die kostenlose Bereitstellung des offenen Netzwerks außerdem auf die Haftungsprivilegien eines Access-Providers nach § 8 TMG berufen. Ein Accessprovider eröffnet lediglich den Zugang zu Informationen, ist aber für diese grundsätzlich nicht verantwortlich. Dies trifft auf den WLAN-Netzbetreiber zu.  Eine Ausnahme der Privilegierung würde nur vorliegen, wenn der Netzbetreiber das Filesharing willentlich veranlasst oder gefördert hätte. Eine absichtliche Mitwirkung des Netzbetreibers konnte aber nicht nachgewiesen werden.

Fazit:

Das Amtsgericht Charlottenburg vertritt die Meinung, dass der Anschlussinhaber der sekundären Darlegungslast bereits nachkommt, wenn er darlegt, dass ein anderer Nutzer möglicherweise das illegale Filesharing betrieben haben könnte. Damit unterscheidet es sich in seinen Kriterien von den strengeren Maßstäben des Amts- und des Landgerichts Leipzig. Diese verlangen konkrete Nachforschungen und die Schilderung konkreter Umstände zur Tatzeit, um die Täterschaftsvermutung zu erschüttern.

Bemerkenswert ist, dass erstmals ein Gericht das Providerprivileg nach dem Telemediengesetz für ein privates öffentliches WLAN-Netzwerk anerkannt hat. Auf das Providerpriveleg konnten sich bisher nur gewerbliche Betreiber (Hotel, Cafe, usw.) berufen (siehe dazu: Amtsgericht Hamburg, 24.06.2014, Aktenzeichen: 25b C 924/13).

Ob sich diese Auffassung aber durchsetzt, ist offen. Momentan setzen sich Betreiber eines offenen WLAN-Netzes einem Haftungsrisiko aus.

Amtsgericht Charlottenburg, Beschluss vom 17.12.2014, Aktenzeichen: 217 C 121/14

Falls Sie eine Abmahnung erhalten haben oder ein öffentliches Netzwerk einrichten wollen, beraten wir Sie gern!

Rechtsanwalt Alexander Grundmann

Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

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