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Amtsgericht Leipzig Urteil vom 16.06.2015, Az. 114 C 610/15 – Anschlussinhaber haftet nicht automatisch für Filesharing in WG

Die Frage ist, ob ein Anschlussinhaber für das Filesharing, dass über seinen Internetanschluss erfolgte, haftet, wenn verschiedene Mitbewohner in einer Wohngemeinschaft selbständigen Zugriff auf das Internet haben. Die Frage ist bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden. Das Amtsgericht Köln entschied in einem aktuellen Urteil vom 15.Februar 2016 (Az. 137 C 17/15) zugunsten des Anschlussinhabers in einer Wohngemeinschaft, der es selbst nicht war und vor Gericht auch richtig vorgetragen hatte, dass die Mitbewohner das Internet auch nutzen durften.

Dazu hat in einem Urteil aus dem Jahr 2015 auch das Amtsgericht Leipzig in einer Klage der Waldorf Frommer Rechtsanwälte zugunsten der Anschlussinhaberin entschieden. Hier war zudem beweisbar, dass die Anschlussinhaberin zum Zeitpunkt der Urheberrechtsverletzung nicht im Haus war. Nachdem die Berufung (Aktenzeichen: 05 S 372/15) beim Landgericht Leipzig von den Waldorf Frommer Rechtsanwälten zurückgenommen wurde, ist das Urteil des Amtsgerichts Leipzig jetzt auch rechtskräfig. Die Anschlussinhaberin musste weder Schadensersatz noch Kosten der Abmahnung zahlen und bekommt ihre Anwaltskosten für den Prozess erstattet.

Hier das Urteil:

Amtsgericht Leipzig

Verkündet am: 16.06.2015

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit […]

wegen Urheberrecht

hat das Amtsgericht Leipzig durch Richterin am Amtsgericht […]

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 18.05.2015 am 16.06.2015

für Recht erkannt:

  1. Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts […] wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

  1. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits, bis auf die Kosten, die durch die Beantragung und den Erlass des Vollstreckungsbescheids entstanden sind. Diese sind von der Beklagten zu tragen.

3.. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz wegen des unerlaubten Anmietens eines urheberrechtlich geschützten Musikwerks. Die Klägerin behauptet, ausschließlicher Inhaber der Nutzungs- und Verwertungsrechte am Musikalbum […] des gleichnamigen Künstlers zu sein und über die Rechte des Tonträgerherstellers nach § 85 UrhG zu verfügen und damit ausschließlich zur Vervielfältigung und öffentlichen Zugängigmachung berechtigt zu sein. Die Klägerin leite ihre für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland exklusiven Rechte an vorstehend genannten Tonaufnahmen aus einem konzerninternen Repertoireaustauschvertrag mit der amerikanischen Dachgesellschaft ab.

Die Klägerin hat mit Hilfe der Firma […] GmbH ermitteln lassen, dass am 15.10.2011 vom Anschluss der Beklagten das oben angeführte Musikwerk öffentlich zugänglich gemacht worden sei. Ihr stände ein Anspruch auf Schadensersatz zu in Höhe eines Pauschalbetrages von 450,00 €, da die Beklagte eine Urheberrechtsverletzung durch angebotene zum Download begangen habe. Ebenso habe die Beklagte die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung zu tragen. Der in Ansatz gebrachte Gegenstandswert für die Berechnung der Anwaltskosten sei in Anbetracht der Schwere des Verstoßes. Das Mahngericht, das Amtsgericht […], hat am 03.11.2014 einen Vollstreckungsbescheid erlassen, der hinsichtlich der Hauptforderung eine Schadensersatzforderung in Höhe von 450,00 € beinhaltet und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 506,00 €. Die Beklagte hat gegen den Vollstreckungsbescheid, der ihr am 06.01.2015 zugestellt wurde, fristgemäß Einspruch eingelegt, der beim Amtsgericht […] am 15.01.2015 eingegangen ist.

Die Klägerin beantragt,

den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts […] vom 03.11.2014

[…] aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte beantragt,

den Vollstreckungsbescheid aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin. Darüber hinaus sei die Beklagte nicht für die Urheberrechtsverletzung, die die Klägerin behauptet, verantwortlich. Die Beklagte habe sich zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung nicht zu Hause befunden, sondern habe an einer Fachschaftsreise teilgenommen. Desweiteren wohne die Beklagte nicht zu Hause. Sie teile sich die Wohnung mit anderen Mitbewohnern, die ebenfalls Zugang zum Internetanschluss zum streitgegenständlichen Zeitpunkt hatten. Die Beklagte ist der Auffassung, dass eine mangelnde Ermittlungstätigkeit vorliegt und daher die ermittelnden Daten Informationen über die angebotene Datei und die IP-Adresse enthielten. Desweiteren sei der geltend gemachte Schadensersatz überhöht.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die zwischen ihnen gewechselten

Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.05.2015 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Auf den Einspruch der Beklagten war der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts […] vom 03.11.2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte weder ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz zu in Höhe von 450,00 €, noch hat sie einen Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 506,00 € gemäß §§ 97, 19a UrhG.

Die Klägerin ist beweisfällig dafür geblieben, dass sie zur Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche aktivlegitimiert ist. Aus dem vorgelegten Urheberrechtsvermerk (Anlage K 1) ergibt sich, dass nicht die Klägerin, sondern die US-Amerikanische Dachgesellschaft die Vermutungswirkung des § 10 Abs. 1 UrhG für sich in Anspruch nehmen kann.

Die Klägerin behauptet, dass sie sodann ihre exklusiven Rechte aus einem konzerninternen Repertoireaustauschvertrag (sogenannte SOG „International Repertoire License“) mit der amerikanischen Dachgesellschaft der […] bezieht.

Die amerikanische Dachgesellschaft soll zu diesem Zweck mit jeder einzelnen Landesgesellschaft eine Art Lizenzvertrag vereinbart haben, wobei es sich um einen Rahmenvertrag handeln soll. Ziel des Vertrages sei es, den jeweiligen Landesgesellschaften sämtliche Rechte exklusiv zu übertragen, die zum Vertrieb und zur Vermarkung der jeweiligen Künstler / Künstlergruppen erforderlich seien. Die amerikanische Dachgesellschaft übertrage im Rahmen des Vertrages dann die exklusiven Rechte an den jeweiligen Tonträgern aus ihrem Katalog für das jeweilige Gebiet an die Landesgesellschaften.

Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang den Zeugen K., den Justiziar der Klägerin als Zeugen für die vorstehenden Behauptungen benannt hat, war dieser Beweis nicht zu erheben, da es sich um einen Ausforschungsbeweis handelt.

Die Klägerin hat weder die entsprechende Seite des Kataloges der Dachgesellschaft für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vorgelegt, die das hier streitgegenständliche Musikalbum enthält, noch hat sie zumindestens auszugsweise den entsprechenden Rahmenvertrag zwischen der Konzernzentrale in den USA und der Landesgesellschaft in Deutschland vorgelegt. Noch nicht einmal hat die Klägerin die entsprechenden Ziffern oder Paragraphen des Vertrages genannt, in denen die Übertragung der Rechte auf die Landesgesellschaften geregelt wurde.

Der Vortrag der Klägerin, dass sie ihre Rechte für das Gebiet der Bundesrepublik an der streitgegenständlichen Tonaufnahme aus diesem konzerninternen Austauschvertrag mit der amerikanischen Dachgesellschaft ableitet und sie hierfür den Zeugen K. benennt, stellt einen unzulässigen Ausforschungsbeweis dar.

Ansprüche der Klägerin scheitern auch daran, dass die Beklagte nicht Verletzer im Sinne von § 71 UrhG ist. Zwar ist allgemein anerkannt, dass der Inhaber eines Internetanschlusses als mittelbarer Störer haften kann. Ihn treffen insbesondere Prüfungs- und Instruktionspflichten gegenüber Nutzern seines Anschlusses.

Bei Urheberrechtsverletzungen spricht eine tatsächliche Vermutung für die Täterschaft des Anschlussinhabers. Für diese tatsächliche Vermutung ist jedoch vorliegend gegenüber der Beklagten kein Raum.

Zum einen hat die Beklagte durch den als Anlage B 1 vorgelegten Beleg substantiiert dargelegt, dass sie zum streitgegenständlichen Zeitpunkt sich nicht in […], sondern vom 14. bis16.10.2011 in […] aufhielt und dort an einer  […] teilgenommen hat.

Zum anderen hat die Beklagte dargelegt, dass andere Personen zum Tatzeitpunkt selbständigen Zugang zu dem Internetanschluss hatten und deshalb als Täter der geltend gemachten Rechtsverletzungen in Betracht kommen.

In der mündlichen Verhandlung vom 18.05.2015 hat die Beklagte angegeben, dass sie zum streitgegenständlichen Zeitraum zusammen mit einer Freundin in einer Wohnung gewohnt habe und sich auf der gleichen Etage noch eine zweite Wohnung befunden hat, in der drei weitere Freunde gewohnt haben. Zusammen mit ihrer Freundin habe sie in der von ihr bewohnten Wohnung einen Internetanschluss des Anbieters „Kabel Deutschland“ betrieben. Zusammen mit den drei weiteren Freunden aus der anderen Wohnung sei der Internetanschluss dann genutzt worden. Der WLAN-Router habe in ihrer Wohnung gestanden und er sei mit einem Passwort gesichert worden. Die Beklagte hat die Namen ihrer damaligen Mitbewohner angegeben. Die Beklagte hat ihre Mitbewohner befragt und ist damit ihrer Nachforschungspflicht nachgekommen. Mehr konnte und musste die Beklagte nicht tun und ist somit ihrer sekundären Darlegungslast nachgekommen, mit der Folge, dass die tatsächliche Vermutung für ihre Täterschaft als Inhaberin des Internetanschlusses nicht besteht.

Da keine Urheberrechtsverletzung vorliegt, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Schadensersatz und Erstattung von Rechtsanwaltskosten in geltend gemachter Höhe, so dass der Vollstreckungsbescheid aufzuheben und die Klage abzuweisen war.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Beschluss:

Der Streitwert beträgt: 956,00 €

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