Rechtsblog

29.06.2015: Bundesgerichtshof: Ärztebewertungen im Internet sind grundsätzlich zu dulden

Nachdem sich bereits einige Male Gerichte mit Ärztebewertungen in Bewertungsportalen im Internet beschäftigen mussten (siehe Rechtsblog: OLG Frankfurt 2012, BGH 01.07.2014), hat sich auch der Bundesgerichtshof ein weiteres Mal damit befasst.

Arzt verlangt Löschung von Bewertungen auf Bewertungsportal

Auf dem Bewertungsportal „Jameda“ haben Patienten die Möglichkeit, anonym Ärzte zu bewerten.
Ein Arzt wandte sich gegen die Bewertungen seiner Arbeit und verlangte die Löschung der über ihn vom Portal gesammelten Daten und Bewertungen.

Interessenabwägung – Persönlichkeitsrecht nicht verletzt

Der Bundesgerichtshof gab dem Arzt nicht Recht, da er das Persönlichkeitsrecht des Arztes nicht verletzt sah.
Es war eine Interessenabwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Arztes und der Meinungs- und Kommunikationsfreiheit des Patienten und der Öffentlichkeit vorzunehmen.

Der Bundesgerichtshof berücksichtigte zugunsten des Arztes, dass Bewertungen auf die Arztwahl Einfluss haben können. Damit verbunden sind wirtschaftliche Nachteile. Außerdem sind falsche oder missbräuchliche Bewertungen im Internet nicht auszuschließen.

Auf der anderen Seite steht das Interesse der Öffentlichkeit und der Patienten an Informationen über ärztliche Leistungen und Fähigkeiten zu gelangen. Die kritische Bewertung des Arztes ist laut Gericht im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit zu erwarten und hinzunehmen. Die Interessen des Arztes seien ausreichend geschützt, da er unwahre Bewertungen vom Portalbetreiber löschen lassen könne. Durch die Möglichkeit der Bewertung ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs das Persönlichkeitsrecht des Arztes noch nicht verletzt. Das hoch zu wertende Grundrecht der Meinungs- und Kommunikationsfreiheit überwiegt.

Datenerhebung und Übermittlung durch Portal zulässig

Die selbstständige Datenerhebung und Übermittlung durch den Portalbetreiber ist nach § 29 des Bundesdatenschutzgesetzes zulässig, da auch hier öffentliche Interessen an der Information der Patienten überwiegen und der Arzt ohnehin öffentlich erreichbar ist.

Fazit:
Ärzte müssen als „Freiberufler“ im Wettbewerb ein gesundes Maß an Kritik hinnehmen und Bewertungen auf Ärztebewertungsportalen wie „Jameda“ dulden. Etwas anderes gilt aber bei unwahren Tatsachenbehauptungen oder Beleidigungen im Einzelfall. Dann kann der Arzt vom Portalbetreiber die Löschung der konkreten Bewertung verlangen (siehe Rechtsblog: OLG München, Beschluss vom 17.10.2014).

In der Praxis ist das Löschungsverlangen einer Jameda-Bewertung aber nicht leicht umzusetzen, da die ärztliche Schweigepflicht Äußerungen über die tatsächliche Behandlung eines konkreten Patienten verbietet und weil die anonymen Bewertungen oft nicht ohne Weiteres Patienten zugeordnet werden können.

Der Bundesgerichtshof entschied in einem anderen Urteil kürzlich, dass der Betreiber eines Ärztebewertungsportals nicht verpflichtet ist, über Anmeldedaten des Portalnutzers, der eine negative Bewertung abgegeben hat, gegenüber dem Arzt Auskunft zu erteilen (Bundesgerichtshof, Urteil vom 01.07.2014, Az.: VI ZR 345/13).

Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.09.2014, Az. VI ZR 358/13
Sollten Sie die Löschung von konkreten Patientenbewertungen anstreben, beraten wir sie gern.

Rechtsanwalt Alexander Grundmann
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

Rechtstipps und Urteile

↑ Zurück zum Seitenanfang