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26.06.2015: Oberlandesgericht Frankfurt a.M.: keine Löschung eines Arztes aus Bewertungsportal „Jameda“

Arztbewertungsportale sind im Internet weit verbreitet und werden von vielen Patienten genutzt, um Lob und Kritik anonym loszuwerden. Im Schutz der Anonymität lassen sich jedoch manchmal Patienten zu unsachlichen oder falschen Bewertungen hinreißen, auch gänzlich erfundene Bewertungen kommen vor. Deswegen mussten sich die Gerichte bereits mehrfach mit Ehrverletzungen in Bewertungen beschäftigen.

Ärztin verlangt Löschung aus Bewertungsportal Jameda

Hier hatte das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. über einen Fall zu entscheiden, der eine Bewertung einer Ärztin zum Gegenstand hatte. Die Ärztin wollte sich die anonyme Bewertung im Internet nicht mehr gefallen lassen und verlangte vom Arztbewertungsportal „Jameda“, dass sie aus dem Portal gelöscht wird und somit nicht mehr bewertet werden kann.

Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. kam zum Ergebnis, dass die Ärztin die Löschung nicht vom Portalbetreiber verlangen kann.

Geschäftsmäßige Datenerhebung kann zulässig sein

Das Gericht wendete § 29 Bundesdatenschutzgesetz an, wonach das geschäftsmäßige Erheben und Speichern von Daten zu Werbe- und Auskunftszwecken unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist. Es muss zum einen ein besonderes Interesse an der Datenerhebung bestehen, zum anderen dürfen die Interessen des Betroffenen nicht verletzt werden. Entscheidend ist also eine Abwägung der gegenseitigen Interessen.

Recht auf informationelle Selbstbestimmung contra Meinungsfreiheit

Das Interesse der Ärztin an der Löschung aus dem Bewertungsportal ist durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geschützt. Dieses Grundrecht ergibt sich aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes. Es soll gewährleisten, dass der Einzelne selbst über die Erhebung und Verwendung seiner Daten entscheiden kann.

Meinungs- und Kommunikationsfreiheit

Für den Portalbetreiber spricht seinerseits das Grundrecht der Meinungs- und Kommunikationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz. Danach darf sich jeder seine eigene Meinung bilden und diese auch weitergeben, sowie sich über andere Meinungen ungehindert informieren.

Ärztebewertungen zulässig – keine Löschung aus Bewertungsportal

Das Oberlandesgericht hatte zwischen den beiden Grundrechten abzuwägen. Im Ergebnis kam es zum überwiegenden Interesse der Meinungsfreiheit und lehnte die Löschung der Ärztin aus dem Portal ab. Das Gericht begründete die Entscheidung mit der besonders hohen Stellung der Meinungsfreiheit in der demokratischen Grundordnung. Wer sich gewerblich in der Öffentlichkeit bewegt und berufliche Leistungen anbietet, muss nach Auffassung des Gerichts auch mit der Bewertung der Leistung leben. Durch Bewertungen soll auch der Wettbewerb bestehen und so die Qualität von Arztbehandlungen gesichert werden.

Fazit:  Es gibt kein Recht auf keine Bewertung.

Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. stärkt die Meinungsfreiheit, indem es sich gegen eine komplette Löschung aus Bewertungsportalen stellt. Für die Ärzte besteht weiterhin die Möglichkeit sich gegen einzelne rechtswidrige Bewertungen zu wehren. Allerdings schweigt das Gericht darüber, wie das effektiv umgesetzt werden soll. Die Löschung von beleidigenden und unsachlichen Äußerungen ist dabei wegen des Ehrschutzes noch am leichtesten gegenüber dem Portalbetreiber begründbar.
Die missbräuchliche Verwendung von Bewertungsportalen durch unwahre Behauptungen hat allerdings eine hohe praktische Bedeutung. Eine Beschwerde beim Portalbetreiber ist vor allem im Fall der Ärztebewertung schwer zu begründen, da Ärzte an die Schweigepflicht gebunden sind und so die tatsächliche Behandlung des konkreten Patienten nicht erläutern dürfen. Die Nennung des Patienten gegenüber dem Portalbetreiber würde schon gegen die Schweigepflicht verstoßen und möglicherweise eine Strafbarkeit nach § 203 Strafgesetzbuch begründen.

Eine anwaltliche Beratung sollte in Anspruch genommen werden, um Rechte zu wahren, ohne die Schweigepflicht zu verletzen. Wir beraten Sie gern.

Oberlandesgericht Frankfurt a.M., Urteil vom 08.03.2012 – Az.: 16 U 125/11

Rechtsanwalt Alexander Grundmann
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

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