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28. November 2016 – Bundesverfassungsgericht: Anwalt nennt Staatsanwältin „geisteskrank“ – nicht zwangsläufig Beleidigung

Ein Anwalt nannte eine Staatsanwältin „dahergelaufen“ und „geisteskrank“. Er wurde daraufhin wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB verurteilt. Der Grund: Schmähkritik. Das BVerfG sah in der Verurteilung jedoch eine Verletzung der Meinungsfreiheit des Anwalts.

„Geisteskranke Staatsanwältin “ ist keine Schmähkritik

Ein Anwalt vertrat einen Mandanten in einem Strafverfahren. Im dem Verfahren wurde der Mandant verurteilt. Daraufhin kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Anwalt und der Staatsanwältin, weil der Rechtsannwalt der Ansicht war, sein Mandant sei zu Unrecht verurteilt worden.

Am Abend meldete sich ein Journalist telefonisch bei dem Anwalt. Der Journalist arbeitete an einer Reportage über den Mandanten des Anwalts und wollte mehr Informationen über das Geschehen. Der Anwalt wollte zunächst nicht mit dem Journalist reden. Im Laufe des Gesprächs, der Anwalt war noch immer sehr verärgert über das Urteil, bezeichnete er die Staatsanwältin als  „dahergelaufene“, „durchgeknallte“, „widerwärtige, boshafte, dümmliche“ und „geisteskranke Staatsanwältin“.

Der Anwalt wurde später aufgrund seiner Aussagen vom Landgericht Berlin zu einer Geldstrafe wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB verurteilt. Das Kammergericht Berlin teilte diese Ansicht.

Der Anwalt legte daraufhin Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein. Mit Erfolg.

Schmähkritik auf seltene Ausnahmen begrenzt

Das Landgericht und das Kammergericht Berlin waren der Ansicht, die Äußerungen des Anwalts seien als Beleidigung zu werten. Das Bundesverfassungsgericht war anderer Meinung.

Die Entscheidungen der vorangegangenen Gerichte verletzen den Anwalt in seiner Meinungsfreiheit gemäß § 5 Abs. 1, Satz 1 GG, so das Bundesverfassungsgericht.

Die Äußerungen des Anwalts sind durchaus sehr ausfallend. Jedoch schützt das Grundrecht der Meinungsfreiheit nicht nur sachliche Äußerungen. Kritik darf auch polemisch und überspitzt geäußert werden. Eine Ausnahme bilden nur Äußerungen, welche eine  Beleidigung oder Schmähung darstellen.

Eine Schmähkritik ist eine abwertende Äußerung bei der es nicht mehr um die Auseinandersetzung mit der Sache an sich geht, sondern nur um die Diffamierung der anderen Person.

Der Begriff der Schmähkritik ist sehr eng zu verstehen. Wird eine Äußerung nämlich als Schmähkritik eingeordnet, findet keine weitere Abwägung mit der Meinungsfreiheit des Äußernden statt. Das Persönlichkeitsrecht, der Ehrenschutz des „Beleidigten“, hat dann grundsätzlich immer Vorrang vor der Meinungsfreiheit.

Nur in Ausnahmekonstellationen ist die Schmähkritik als Sonderfall der Beleidigung gegeben.

Daher ist es sehr wichtig, dass die Gerichte ihre Entscheidung in ihrer Entscheidung genau prüfen und begründen, ob  im jeweiligen Fall auch wirklich beleidigt wurde. Genau bei dieser Prüfung sind die Berliner Gerichte nicht genau genug vorgegangen.

Das Landgericht hat ohne hinreichende Begründung angenommen, dass es sich bei den genannten Äußerungen um eine Beleidigung als  Sonderfall der Schmähkritik handelt.
Die Gerichte müssen in ihrer Beurteilung allerdings viel präziser sein und stichhaltigere Gründe für eine Verurteilung wegen Schmähkritik angeben.
Ein Beispiel hierfür wäre zum Beispiel, dass der Verfahrensbezug nur als Vorwand genutzt wurde, um die Staatsanwältin zu beleidigen.

Auch das Kammergericht ist als Kontorllinstanz einer angemessenen Abwägung nicht nachgekommen.

Die Gerichte müssen nun erneut über die strafrechtliche Beurteilung entscheiden. Dieses Mal muss eine angemessene Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Anwalts und dem Persönlichkeitsrecht der Staatsanwältin stattfinden.

Fazit: Der Idee der Schmähkritik schränkt die Meinungsfreiheit ein.  Daher muss für die Einordnung als Schmähkritik immer ausreichend zwischen der Meinungsfreiheit des Äußernden und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen abgewogen werden.

§185 StGB, Art. 5 Abs. 1 GG

Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 29. Juni 2016, Aktenzeichen 1 BvR 2646/15

Vorinstanzen:

Landgericht Berlin,  Entscheidung vom 26. Januar 2015 – (569) 83 Js 445/10 Ns (126/13)

Kammergericht Berlin,  Entscheidung vom 21. September 2015 – (3) 121 Ss 71/15 (96/15)

Ihr Ansprechpartner für Fragen des Persönlichkeitsrechts und Meinungsäußerung

Rechtsanwalt Alexander Grundmann, LL.M., Leipzig

Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

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