Rechtsblog

17. Januar 2017 – EuGH und LG Hamburg: Urheberrechtsverletzung im Internet durch Setzen eines Hyperlinks – GS Media

In seinem Urteil vom 08.09.2016 hatte der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zu entscheiden, ob die Verlinkung auf ein urheberrechtlich geschütztes Werk eine öffentliche Wiedergabe und damit ein Urheberrechtsverstoß ist. Der EuGH stellte darauf ab, ob der Verlinkende von der Rechtswidrigkeit weiß.

Was war passiert?

Die niederländische GS Media BV betreibt die Homepage GeenStijl.nl. Die verbreitet nach eigener Aussage „Nachrichten, Skandalenthüllungen und journalistische Recherche mit lockeren Themen und angenehm verrücktem Unsinn“.

Am 27.10.2011 wurde auf GeenStijl.nl – was übersetzt soviel wie „Kein Stil“ bedeutet und damit schon alles sagt – unter der Überschrift „…! Nacktfotos von [Frau] Decker“ ein Artikel veröffentlicht. Unter dem Text: „Und jetzt der Link zu den Bildern, auf die Sie gewartet haben.“ war ein Hyperlink zu finden. Dieser führte auf die australische Website Filefactory.com. Zu sehen waren für den Playboy aufgenommene Nacktfotos der niederländischen Moderatorin Britt Dekker. Die Fotos sollten erst in der Dezemberausgabe des Playboy veröffentlicht werden.

Diese konnten dort auch heruntergeladen werden und waren ohne Genehmigung der Rechteinhaber veröffentlicht worden. Den Hyperlink bekam die GS Media BV von einem anonymen Informanten.

Noch am gleichen Tag wurde die GS Media BV von den Rechteinhabern aufgefordert, den Hyperlink zu entfernen. Dem kam die GS Media BV nicht nach. Ganz im Gegenteil: auf GeenStijl.nl wurde ein weitere Artikel über den Rechtsstreit mit den Rechteinhabern der Nacktbilder veröffentlicht. Dieser endete mit folgendem Satz: „Update: Nacktbilder noch nicht gesehen? Sie sind HIERRR“. Danach war wieder der Hyperlink zu finden.

Schließlich folgte ein dritter Artikel mit der Überschrift: „Bye Bye, adieu Playboy“ in welchem nochmals der Link veröffentlicht wurde.

Deshalb erhoben die Rechteinhaber Klage gegen die GS Media BV. Der Streit gelangte vor den Oberste Gerichtshof der Niederlande. Der setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage vor, ob das Setzen eines Hyperlinks einen Akt der öffentlichen Wiedergabe im Sinne der europäischen Richtlinie 2001/29/EG darstellt.

Hintergrund: Urheberrecht auch in Deutschland kommt überwiegend aus europäischen Richtlinien. Wenn sich nationale Gerichte nicht sicher sind, wie europäische Richtlinien zu verstehen sind, können sie dem EuGH Fragen über die Auslegung von Europarecht vorlegen. Hier wurde gefragt, was genau unter einer "öffentlichen Wiedergabe" zu verstehen ist, auch die Verlinkung?

Zur Bestimmung der „öffentlichen Wiedergabe“ durch Verlinkung kommt es auf Einzelfall an

Der EuGH meint, dass der Begriff der „öffentlichen Wiedergabe“ weit zu verstehen ist, da nur so ein hohes Schutzniveau für die Urheber erreicht werden kann. Ist nämlich z.B. die Verlinkung eine öffentliche Wiedergabe, muss man vorher den Urheber (oder Rechteinhaber z.B. Bildagentur) fragen.

Trotzdem muss bei der Auslegung auch das Recht der freien Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit beachtet werden.

Auf dieser Grundlage kann nicht abstrakt, sondern nur im speziellen Einzelfall festgestellt werden, ob es sich um eine öffentliche Wiedergabe handelt. Die Prüfung soll sich grundsätzlich an drei Kriterien orientieren.

Erstes Kriterium ist die Vorsätzlichkeit des Handelns. Zur Wiedergabe gehört nämlich, dass in dem Bewusstsein gehandelt wird, einer unbestimmten Anzahl an Personen (Öffentlichkeit) Zugang zu einem geschützten Werk zu verschaffen, zu dem sie sonst grundsätzlich keinen Zugang hat.

Auch muss das Werk in einem neuen technischen Verfahren oder einem neuen Publikum zugänglich gemacht werden, das der Rechteinhaber bei der Zustimmung zur ursprünglichen Nutzung noch nicht berücksichtigt hat.

Schließlich ist es auch wichtig, ob die öffentliche Wiedergabe Erwerbszwecken dient.

Bei Gewinnerzielungsabsicht wird Kenntnis der Rechtswidrigkeit vermutet

Im konkreten Fall handelt es sich nach Ansicht des EuGH deshalb um eine öffentliche Wiedergabe. Die GS Media BV wusste, dass die Fotos nicht mit Erlaubnis der Rechteinhaber veröffentlicht wurden. Sie wurde ja bereits am Tag der Veröffentlichung des ersten Artikels darauf hingewiesen.

Außerdem trifft die GS Media BV höhere Nachprüfungspflichten, da die Homepage von ihr zu Gewinnerzielungsabsichten betrieben wird. Deshalb kann von ihr verlangt werden, dass sie nachprüft ob das Werk unrechtmäßig veröffentlicht wurde. Bei gewerblichen Anbietern wird also vermutet, dass sie Kenntnis von der Rechtswidrigkeit haben.

Fazit: Vorsicht bei Verlinkungen von gewerblichen Homepagebetreibern! Das Urteil ändert für Privatleute nichts daran, dass es grundsätzlich unbedenklich ist, Hyperlinks zu setzten. Die Werke werden dadurch nicht veröffentlicht, da sie ja schon an anderer Stelle  - auf der verlinkten Website - veröffentlicht sind. Selbst wenn die andere Veröffentlichung rechtswidrig war, schadet das dann grundsätzlich nicht. Das Setzen des Hyperlinks ist nur rechtswidrig, wenn man von der Rechtswidrigkeit Kenntnis hat. Da dies für den Einzelnen sehr schwer festzustellen ist muss zu seinen Gunsten grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass er nichts von der Rechtswidrigkeit weiß.

Etwas anderes gilt bei Nutzern mit Gewinnerzielungsabsicht. Von ihnen kann – so zumindest der EuGH – eine Nachprüfung erwartet werden. Deshalb wird dann die Kenntnis der Rechtswidrigkeit vermutet. Wann genau von Gewinnerzielungsabsicht ausgegangen wird und in welchem Umfang die Nachprüfungspflichten bestehen, lässt das Urteil aber offen. Vorsicht ist hier geboten, da nach deutschem Recht sehr schnell auch bei Privatpersonen von einer Gewinnerzielungsabsicht ausgegangen wird, etwa beim angeblichen Ebay-Privatverkäufer, der aber ständig Sachen an- und verkauft.

Wegen der bisherigen strengen Rechtsprechung zur Gewerblichkeit hat das Urteil gravierende Folgen für fast alle, die Verlinken. Bei der Bewertung des Urteils muss aber auch beachtet werden, dass dem EuGH bei dem dreisten Vorgehen der GS Media BV kaum eine Alternative blieb, als sie haften zu lassen. Dass dafür jetzt (fast) alle büßen können, ist nicht schön.

 

Erste deutsche Gerichtsenscheidung zur Haftung für Hyperlinks nach „GS- Media“

Zwischenzeitlich hat auch das Landgericht Hamburg als erstes deutsches Gericht entschieden, dass das Setzen eines Hyperlinks eine Urheberrechtsverletzung sein kann (LG Hamburg, Beschluss vom 18.11.2016 Az.: 310 O 402/16).

EuGH, Urteil vom 08.09.2016, C-160/15

Ihr Ansprechpartner für Urheberrecht und Onlinerecht:

Rechtsanwalt Alexander Grundmann, LL.M., Leipzig

Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

 

 

Rechtstipps und Urteile

↑ Zurück zum Seitenanfang