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4. Juni 2019 – Fotorecht: BGH Vertragsstrafe und Reichweite einer Unterlassungserklärung

In einem Urteil des BGH, in dem es in erster Linie um die Angemessenheit des Schadensersatzes bei der unberechtigten Veröffentlichung eines Fotos im Internet und die Anwendbarkeit der MFM-Tabelle ging, finden sich auch interessante Ausführungen zur Reichweite einer Unterlassungserklärung.

Das Urteil macht deutlich, wie wichtig nach einer Abmahnung wegen „Fotoklau“ im Internet die sorgfältige Formulierung der Unterlassungserklärung ist, um nicht sofort danach noch eine Vertragsstrafe zahlen zu müssen.

Foto eines Sportwagens ohne Lizenz – Nach Abgabe der Unterlassungserklärung Vertragsstrafe?

Wie hier erläutert, ging es im Urteil des BGH um ein Foto eines Sportwagens eines Fotoamateurs.  Ein Unternehmen benutzte das Foto auf seiner Webseite im Internet ohne Lizenz. Vor der Veröffentlichung im Internet hatte das Unternehmen das Foto bearbeitet und mit Werbung für eine Rennsport-Veranstaltung versehen. Dieses bearbeitete Foto war offenbar auch auf einer anderen Internetseite, einem (Tuning-)Forum, bei dem es auch um solche Sportevents ging, veröffentlicht worden. Mit diesem Forum hatte das Unternehmen nichts zu tun.

Was war im Einzelnen passiert?:

Nach der Abmahnung durch den Fotografen gab die spätere Beklagte eine – modifizierte – strafbewehrte Unterlassungserklärung ab.

Das – von der späteren Beklagten bearbeitete – Foto war aber noch auf einer anderen Internetseite. Diese Internetseite wurde aber nicht vom Unternehmen selbst, sondern von einem Dritten als so genannter Host-Provider betrieben. Auf dieser Seite können Nutzer anonym Inhalte einstellen. Ein Nutzer hatte offenbar das bearbeitete Foto, das ja auch die Werbung für die Rennsportveranstaltung des Unternehmens enthielt, eingestellt und damit für die kommerzielle Tuning-Veranstaltung Werbung gemacht.

Unabhängig vom schon geforderten Schadensersatz verlangte der Fotograf für diese weitere Veröffentlichung im Internet eine Vertragsstrafe in Höhe von 2.500 Euro und die Erstattung von deswegen angefallenen Anwaltskosten in Höhe von 571,44 Euro für die Aufforderung zur Entfernung des Fotos.

Die Argumentation des Fotografen war: Das Unternehmen habe sich ja in der Unterlassungserklärung verpflichtet, das Foto nicht mehr im Internet zu veröffentlichen und bei einer Verletzung dieser Verpflichtung Vertragsstrafe an den Fotografen zu zahlen. Die Benutzung des Fotos auf dem Forum sei dem Unternehmen zuzurechnen.

Der Fotograf meinte, es sei lebensfremd, dass ein Dritter Werbung für ein Unternehmen macht. Das Werbefoto müsse daher vom Unternehmen oder jedenfalls auf seine Veranlassung hin eingestellt worden sein.

Das Landgericht Leipzig hat diese Sichtweise des Fotografen mit Urteil vom 13.10.2017 – Az. 5 S 47/17 in der Berufung zurückgewiesen und die beantragte Zahlung einer Vertragsstrafe abgelehnt. Auch deshalb ging der Fotograf zum Bundesgerichtshof, der auch über die Vertragsstrafe entscheiden musste.

BGH: Keine Vermutung der Verantwortlichkeit für Werbeveröffentlichung in fremdem Forum

Der BGH weist die Forderung des Fotografen auf Zahlung von Vertragsstrafe ebenfalls zurück.

Den vom Fotografen behaupteten typischen Geschehensablauf, dass das Unternehmen auch für die Veröffentlichung des Werbefotos auf der Internetseite eines Dritten verantwortlich sei, gibt es nicht. Nur ein solcher typischer Geschehensablauf könnte Grundlage für einen so genannten „prima facie“-Beweis sein. Begründung des BGH ist: Im Internet veröffentlichte Inhalte wie Fotos können von jedermann beliebig kopiert werden.  Es sei auch nicht fernliegend, dass das mit dem Werbeaufdruck versehene Foto von der Internetseite des Unternehmens durch einen an Tuning-Events interessierten Dritten kopiert wird, um in einem entsprechenden Forum andere Interessierte auf die vom Unternehmen angekündigte Veranstaltung aufmerksam zu machen.

Das Unternehmen ist auch nicht deswegen für solche fremden Veröffentlichungen zuständig, weil damit natürlich dessen wirtschaftliche Interessen gefördert werden.

BGH zur Reichweite der Unterlassungserklärung nach Fotoklau

Die Veröffentlichung des Werbefotos durch den – unbekannten – Forumsnutzer führt laut BGH auch nicht zur Verwirkung einer Vertragsstrafe durch das Unternehmen.

Das Unternehmen hatte nämlich nicht die vom Anwalt mitgeschickte vorformulierte Unterlassungserklärung unterschrieben, sondern die Unterlassungserklärung modifiziert.

Die abgegebene Unterlassungserklärung war darauf beschränkt, das Foto des Sportwagens „ohne Einwilligung der Unterlassungsgläubigerin [Anmerkung des Verfassers: des Fotografen] öffentlich zugänglich zu machen oder zu vervielfältigen“. Diese Unterlassungserklärung wurde vom Rechtsanwalt des abgemahnten Unternehmens mit einem Schreiben übersandt, in dem der Anwalt mitteilte, dass die vom Anwalt des Fotografen vorformulierte Unterlassungserklärung nicht abgegeben wird, weil danach auch verboten wäre, „dass die Nutzung der Bilder (durch Dritte) von unserem Mandanten zugelassen wird (’sonst nutzen zu lassen‘)“.  Eine so weite Unterlassungserklärung sei nicht erforderlich, weil das Unternehmen einen solchen Verstoß weder begangen habe noch dies zu befürchten sei.

Der Fotograf hatte die modifizierte Unterlassungserklärung und damit diese Form der  Vertragsstrafenvereinbarung angenommen.

Der Fotograf argumentierte auch vor dem BGH, das Unterlassungsversprechen eines urheberrechtlichen Störers sei dahingehend auszulegen, dass es auch die Verpflichtung umfasse, den durch das Einstellen von Fotografien in das Internet geschaffenen Störungszustand zu beseitigen, soweit dies dem Beklagten möglich und zumutbar sei. Der Fotograf berief sich auf einen frühere Entscheidung des BGH (BGH, Urteil vom 18. September 2014 -1 ZR 76/13 CT-Paradies).

BGH: Auslegung des Unterlassungsvertrags

Gibt ein Abgemahnter eine Unterlassungserklärung ab und wird diese Unterlassungserklärung vom Abmahner angenommen, kommt ein Unterlassungsvertrag zustande. Dieser regelt, was in Zukunft zu unterlassen ist und das bei einem Verstoß dagegen Vertragsstrafe an den Abmahner zu zahlen ist.

Ist unklar, wie weit die Verpflichtung aus dem Unterlassungsvertrag geht, ist dieser Vertrag auszulegen.

Wie schon in älteren Entscheidungen sagt der BGH, dass es für die Auslegung eines Unterlassungsvertrags auf allgemeine Grundsätze der Vertragsauslegung ankommt.

Damit ist maßgeblich in erster Linie der Wortlaut und der daraus zu entnehmende objektive Parteiwille relevant (BGH, Urteil vom 13. 11. 2013 – I ZR 77/12 Vertragsstrafenklausel).

In der Revision kann der BGH hinsichtlich der Auslegung des Landgerichts nur überprüfen, ob gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze, anerkannte Auslegungsgrundsätze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt wurden, (BGH Urteil vom 18.10.2013 – I ZR 76/13 CT-Paradies Rn. 56).

Das Landgericht Leipzig hatte – ohne dass der BGH diese Auslegung beanstandet – den Unterlassungsvertrag so ausgelegt, dass er sich nicht auf Handlungen wie die des vom Unternehmen unabhängigen Forumsteilnehmers erstreckt. Dafür ist das Unternehmen nicht verantwortlich – damit muss es auch keine Vertragsstrafe zahlen.

Hier war es günstig, dass der Anwalt, der das Unternehmen nach der Abmahnung beraten hat, die Unterlassungserklärung eingeschränkt hat. Damit war die ursprüngliche gefährliche Formulierung, das Foto auch „sonst nutzen zu lassen“ raus.

Der BGH bestätigte diese Auslegung auch mit der Überlegung, dass es regelmäßig dem Parteiwillen entspricht, dass der Abgemahnte vertraglich keine weitergehenden Unterlassungspflichten übernehmen will, als diejenigen, die zum Ausschluss des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs er­forderlich sind (vgl. BGH, Urteil vom 5. 4. 2003 – I ZR 222/00 – Internet-Reservierungssystem).

Ungünstig für den Fotografen war auch, dass er – bzw. sein Anwalt – in der Annahmeerklärung mitgeteilt hatte , die Unterlassungspflicht erstrecke sich auch auf Veröffentlichung des Fotos durch Dritte „auf Veranlassung Ihrer Mandantschaft“.

Das bedeutet, dass der Fotograf bei Annahme der Unterlassungserklärung selbst davon ausgegangen ist, dass die Unterlas­sungserklärung keine vom Unternehmen nicht veranlasste Veröffentlichung der Bilder durch Dritte umfasst.

Fazit:  Nach einer Abmahnung wegen einer Urheberrechtsverletzung im Internet sollten Sie niemals die mitgeschickte Unterlassungserklärung unterschreiben. Zumindest wenn Sie das erste Mal eine solche Abmahnung bekommen haben, sollten Sie sich unbedingt beraten lassen. Die sonst ersparten Abmahnkosten könnten Sie sonst in Form einer viel höheren Vertragsstrafe an den Abmahner zahlen. 

Rechtsanwalt Alexander Grundmann – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht in Leipzig

BGH, Urteil vom 13.09.2018, Az. I ZR 187/17 – Sportwagenfoto

Vorinstanzen:

Amtsgericht Leipzig, Urteil vom 30.12.2016 – Az. 108 C 609 2/16

Landgericht Leipzig, Urteil vom 13.10.2017 –Az. 5 S 47/17

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