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Urheberrecht: Neuer Berechnungsansatz für Schadensersatz wegen Filesharing

15. Dezember 2014

Das Amtsgericht Düsseldorf entschied in einem typischen Filesharing-Fall, dass der Tauschbörsennutzer lediglich 303,60 € Schadensersatz für die rechtswidrige Verbreitung von Musik zahlen muss. Es nutzte dafür eine völlig neue Berechnungsmethode.

Schadensersatz in Höhe von 2.500 Euro für ein Album gerechtfertigt?

Ein Anschlussinhaber und privater Nutzer der Filesharingbörse „Bittorent“ soll am 04.10.2009 ein Musikalbum einer Künstlerin mit 15 Titeln heruntergeladen haben. Die Tonträgerherstellerin mahnte den Anschlussinhaber dafür ab und verklagte ihn anschließend auf Zahlung von 2.500 Euro Schadensersatz und 1.379,80 Euro Abmahnkosten.

Unterscheidung von privatem Filesharing und Nutzung durch kommerziellen Lizenznehmer

Das Gericht stellte fest, dass private Filesharing-Nutzer und kommerzielle Lizenznehmer im Bezug auf die Schadenshöhe nicht gleichgesetzt werden können.

Zur Berechnung der Schadenshöhe wird die Methode der Lizenanalogie herangezogen (dazu siehe „Wie wird der Schadensersatz errechnet?“). Es ist danach zu fragen, wie teuer eine entsprechende Lizenz beim Rechteinhaber gewesen wäre.

Im Unterschied zu kommerziellen Lizenznehmern wollen private Filesharer die Musikstücke zur eigenen Versorgung nutzen und nicht entgeltlich weiterverbreiten. Deshalb muss sich laut Amtsgericht Düsseldorf an der Lizenzgebühr eines einzelnen Downloads über einen legalen Anbieter orientiert werden.

Berechnung Schadensersatz orientiert sich an legalem Einzeldownload

Das Gericht ging von einem Wert von 0,92 Euro pro Download aus. Dieser Betrag wurde mit der Anzahl möglicher Kopien im Inland multipliziert. Wegen der erhöhten Wahrscheinlichkeit einer illegalen Weiterverbreitung im Vergleich zu legalen Downloads wurde der Wert nochmal verdoppelt. Ob die Verdopplung des Wertes der Logik der Lizenzanalogie entspricht, ist allerdings fraglich. Im konkreten Fall wurde eine Schadensersatzhöhe von 20,24 Euro pro Titel errechnet. Es ergibt sich für das ganze Album eine Schadensersatzhöhe von 303,60 Euro.

Unzulässige Abmahnung – keine Anwaltskosten

Die Unterlassungserklärung darf sich richtigerweise nur auf die einzelnen illegal heruntergeladenen Musikstücke beziehen. Die Forderung nach einer Unterlassungserklärung für jegliche Musikstücke des betroffenen Rechteinhabers ist zu unbestimmt und geht zu weit. Da die geforderte Unterlassungserklärung hier keinen Bezug zu den konkret betroffenen Titeln nimmt, muss wie das Gericht feststellt, der Anschlussinhaber die Abmahnkosten des Anwalts in Höhe von 1.379,80 Euro nicht zahlen. Die Abmahnung war laut Amtsgericht Düsseldorf eine „unbrauchbare Leistung“ des Anwalts, für die er keine Kosten verlangen kann.

Grundsatzentscheidung in der Rechtsprechung gefordert

Am Ende des Urteils appelliert das Gericht in bemerkenswerter Weise an die Erforderlichkeit einer Grundsatzentscheidung, da „angesichts des Massenanfalls von Filesharing-Fällen (…) eine Zersplitterung der Rechtsprechung in Einzelansichten verschiedener Amts-, Land- und Oberlandesgerichte der Gerechtigkeit nicht zuträglich“ erscheint.

Das Gericht bekräftigt die grundsätzliche Bedeutung „nämlich in welchem Umfang die bisher von der obergerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Lizenzanalogie auf in verbraucherähnlicher Stellung handelnde Privatpersonen übertragbar sind und wie genau die Berechnung der Höhe des Schadenersatzes vorzunehmen ist“.

Hintergrund der Rechtszersplitterung ist der Wegfall des „fliegenden Gerichtsstandes“. Früher haben nur wenige Gerichte Filesharing-Fälle entschieden, da sich der Abmahner das Gericht aussuchen durfte. Heute zählt der Wohnsitz des Abgemahnten. Das ist für den Abgemahnten günstig. Er muss nicht zu einem fernen Gericht fahren und es besteht eine gute Chance auf niedrigere Kosten.

Fazit: Die Entscheidung ist ein weiterer Schritt hin zu angemessen Schadensersatzhöhen und zeigt, dass durch Abmahnkanzleien oft zu hohe Beträge gefordert werden. Die vom Gericht errechnete Schadensersatzhöhe von 20,24 Euro ist ein fast schon revolutionär niedriger Betrag verglichen mit den nicht unüblichen 150 - 300 Euro pro Titel. Das Urteil macht aber auch deutlich, dass grundlegende Fragen der Schadensberechnung noch nicht geklärt sind. Wer eine Abmahnung erhalten hat, sollte sich daher unbedingt anwaltlichen Rat holen.

Amtsgericht Düsseldorf, 03.06.2014 – 57 C 3122/13

 

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