Das Internet lebt von Verlinkungen. Ohne Links wäre ein schnelles und unkompliziertes Surfen undenkbar. Jede Website wäre isoliert und der Nutzer müsse jedes mal die Adresse neu eingeben, um auf eine andere Website zu gelangen. Doch was passiert, wenn durch solche Verlinkungen zu Websites mit rechtsverletzendem Inhalt geführt wird? Hier besteht derzeit durch zwei aktuelle Urteile des EuGH und des Landgerichts Hamburg, welche die bisherige Rechtslage auf den Kopf stellen, große Rechtsunsicherheit und Diskussionsbedarf.
„Paperboy“ und die Situation bis 2016 – Keine Haftung für Links
Bis zum Urteil des EuGH, Urteil vom 08.09.2016, C-160/15 war die Rechtslage in Deutschland eindeutig: Der Verlinker haftete grundsätzlich nicht. Grundlage hierfür war das Paperboy-Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17.Juli 2003, Az.: I ZR 259/00.
Die inzwischen nicht mehr aktive Website www.paperboy.de funktionierte ähnlich wie eine Suchmaschine: Der Suchdienst suchte auf Internetseiten von Zeitungen und Zeitschriften aktuelle Informationen. Nutzer des Suchdienstes konnten nach tagesaktuellen Stichworten suchen. Daraufhin wurden ihnen Online-Artikel zu den Stichworten angezeigt und gleich dazu ein Link zu dem jeweiligen Artikel.
Dies stellte nach Ansicht der Richter keine Urheberrechtsverletzung dar. Die Artikel wurden durch die Links nicht öffentlich zugänglich gemacht, da sie ja bereits im Internet öffentlich zugänglich waren.
Auch Deep Links waren grundsätzlich kein Problem
Auch störten sich die Richter grundsätzlich nicht an den so genannten Deep-Links. Die Links von Paperboy führten nämlich nicht auf die Startseiten der Nachrichten-Anbieter, sondern direkt zu den Artikeln. Damit waren die Anbieter nicht einverstanden, welche ihr Geld in erster Linie mit Werbebannern auf der Startseite verdienten. Diese Seite wurde aber durch die Deep-Links übergangen. Die Deep-Links wurden von den Richtern des BGH aber nur als eine Art Wegweiser angesehen, der bereits zugängliche Inhalte eben noch zugänglicher mache.
Deep-Links seien nur dann unzulässig, wenn dabei technische Schutzmaßnahmen, wie z.B. eine Paywall auf der Startseite, umgangen werden. Das war aber nicht der Fall. Deshalb galt bis zum Jahr 2016 der Grundsatz: Wer etwas verlinkt, begeht keine Urheberrechtsverletzung.
EuGH leitet Wende ein – Urheberrechtsverletzung durch Setzen eines Links möglich
Mit seinem Urteil vom 08.09.2016 durchbrach der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) diesen über 10 Jahre alten Grundsatz. Eine ausführliche Analyse des Urteils lesen Sie hier.
Auf der Homepage der niederländischen GS Media GeenStijl.nl. wurde unter der Überschrift „…! Nacktfotos von [Frau] Decker“ ein Artikel veröffentlicht, welcher mit einem Link versehen war. Dieser führte auf die Website Filefactory.com auf welcher die für den Playboy aufgenommenen Nacktfotos der niederländischen Moderatorin Britt Dekker zu sehen waren. Diese sollten erst in der Dezemberausgabe des Playboy veröffentlicht werden und waren ohne Genehmigung der Rechteinhaber veröffentlicht worden.
Die GS Media wurde darauf von den Rechteinhabern aufgefordert, den Hyperlink zu entfernen. Dem wurde nicht nachgekommen, sondern noch zwei weitere Artikel mit Links zu den Nacktbildern veröffentlicht.
Im darauf folgenden Rechtsstreit legte der Oberste Gerichtshof der Niederlande dem EuGH die Frage vor, ob das Setzen eines Hyperlinks eine öffentliche Wiedergabe darstellt.
Verlinken ist Urheberrechtsverletzung bei Kenntnis der Rechtswidrigkeit
Der EuGH sagt, dass nicht abstrakt, sondern nur im speziellen Einzelfall festgestellt werden kann, ob es sich beim Verlinken einer Website um eine öffentliche Wiedergabe handelt.
Voraussetzung dafür sei, dass der Verlinker weiß, dass die Seite auf die er verlinkt urheberrechtsverletzendes Material enthält.
Dazu wurde weiter ausgeführt, dass Homepagebetreiber mit Gewinnerzielungsabsicht höhere Nachprüfungspflichten treffen, als private Betreiber. Von ihnen kann verlangt werden, dass sie nachprüfen, ob auf der verlinkten Seite Urheberrechte verletzt werden. Bei gewerblichen Anbietern wird deshalb vermutet, dass sie Kenntnis von der Rechtswidrigkeit haben.
Landgericht Hamburg bestätigt und konkretisiert das Urteil des EuGH
Das Grundsatzurteil des EuGH ließ noch einige Fragen offen. So war absolut unklar, wann beispielsweise genau von Gewinnerzielungsabsicht ausgegangen wird.
Diese Frage beantwortete das Landgericht Hamburg mit Beschluss vom 18.11.2016 (Az.: 310 O 402/16) welches damit als erstes deutsches Gericht das Urteil des EuGH bestätigte. Eine Urteilsbesprechung lesen Sie hier.
Ein Websitebetreiber, welcher auf seiner Homepage neben diversen Artikeln auch im Eigenverlag vertriebenes Lehrmaterial anbot, hatte unter einem nicht gewinnorientierten Artikel einen Link zu einem rechtsverletzenden Foto eingebaut.
Deshalb ging der Fotograf gegen den Verlinker im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vor.
Gewinnerzielung nicht durch konkreten Link, sondern durch gesamte Website
Das Landgericht Hamburg kam zu dem Ergebnis, dass durch das Setzen des Hyperlinks eine Urheberrechtsverletzung begangen wurde. Da der Homepagebetreiber mit Gewinnerzielungsabsicht handelte, wurde vom Gericht vermutet, dass er die Urheberrechtsverletzung kannte. Zur Bestimmung der Gewinnerzielungsabsicht soll nach Ansicht der Hamburger Richter nämlich nicht nur auf den konkreten Link, sondern auf die Website als Ganzes abgestellt werden. Deshalb musste der konkrete Artikel keinen Gewinn-Bezug aufweisen um zu einer Beweislastumkehr zu kommen. Es reicht eine mittelbare Gewinnerzielungsabsicht aus.
Urteile führen zu Rechtsunsicherheit bei Linkhaftung
Die neue Rechtsprechung wirft eine Unmenge an Fragen auf und führt zu einer ganz enormen Rechtsunsicherheit für alle Internetnutzer.
Für (echte!) Privatpersonen ändert sich zunächst einmal nichts. Sie haften erst ab Kenntnis der Rechtsverstöße. Allerdings ist noch absolut unklar, wo die Grenze zwischen Privatpersonen und solchen mit Gewinnerzielungsabsicht verläuft.
Was ist mit einem Facebook-Account, der sowohl Privat als auch beruflich genutzt wird? Oder aber handelt ein Blogger, auf dessen Homepage Werbung angezeigt wird, mit Gewinnerzielungsabsicht? Dann dürfte er überhaupt keine Links mehr verwenden, da er sich nicht darauf verlassen kann, dass die verlinkte Website rechtskonform ist.
Auch gibt es noch keine Kriterien dafür, was genau von den Linksetzern erwartet wird, damit sie ihrer Nachprüfungspflicht genügen. Reicht es, dass die verlinkte Seite auf den ersten Blick rechtskonform ist, oder wird von ihnen eine detaillierte Überprüfung der einzelnen Lizenzen der verlinkten Werke gefordert?
Genauso herrscht Unklarheit über das zeitliche Moment: Reicht es aus, dass im Zeitpunkt der Verlinkung keine Rechtsverletzung vorlag, oder trifft die Verlinker eine Beobachtungspflicht, so dass sie verlinkten Seiten regelmäßig überprüfen müssen? Und schließlich: stellt es auch eine Rechtsverletzung dar, wenn zwar die verlinkte Seite an sich rechtskonform ist, auf ihr aber ein Link zu einer Urheberrechtsverletzung zu finden ist?
Politische Lösung zur Linkhaftung wäre wünschenswert
Sollten nicht demnächst weiter Urteile diese Fragen beantworten und zu mehr Klarheit führen, ist die Politik in der Verantwortung, Haftungsgrenzen für Verlinkungen einzuführen, beispielsweise als Haftungsprivilegierung, angelehnt an § 10 TMG.
Sonst ist zu befürchten, dass zukünftig generell auf das Setzen von Links im Internet aus Sicherheitsgründen verzichtet wird. Dies wäre ein ganz enormer Rückschritt und in Bezug auf Kommunikations- und Informationsfreiheit in einer digitalen Welt eigentlich undenkbar.
Mehr dazu beim Vortrag vom Rechtsanwalt Alexander Grundmann zum Thema „Rechtssichere Nutzung von Fotos im Internet“ –bei der IHK zu Leipzig
Die Teilnahme ist kostenfrei möglich nach Anmeldung über die IHK, der link zur Veranstaltung ist hier:
Update: Der Termin 7.03.2017 ist ausgebucht. Es wird noch in der ersten Jahreshälfte einen zweiten Vortragstermin geben, den Sie unter obigem Link finden.
Ihr Ansprechpartner für Urheberrecht und Onlinerecht:
Rechtsanwalt Alexander Grundmann, LL.M., Leipzig
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